Musik als großes Geschenk: Unsere Redaktion hat Tipps für den Gabentisch. Kein CD-Player mehr? Alle Alben gibt es auch bei Streaming-Diensten!
Meditieren mit Miloš
Wie der smarte Montenegriner damals dem Klassik-Markt Latino-tief in die Augen schaute, sagte mancher: „Ein hübsches One-Hit-Wonder!“ Nun ist der klassische Gitarrist Miloš Karadaglić 40. Er hat über die Jahre bewiesen, dass er mehr als Deko ist, vielseitig hat er neben großen Werken seines Fachs immer auch ein Herz fürs Besondere gezeigt. „Baroque“ (Sony) liegt dazwischen, denn einerseits fußt dieses wundervoll meditative Album von Bach bis Scarlatti auf berühmten Europäern der Epoche. Aber genauso misst Miloš diese Zeitgenossen an ihren Taten und wählt die damals völlig übliche Praxis der Bearbeitung für andere Instrumente. Freiheit! Vivaldis Konzert für Violinen? Händels Cembalokonzert? Es klingt einfach stilvoll, stimmig, wenn auch nie streng. Kostbar!
Schlösser, die im Monde liegen
Wer Heiligabend schon den unkeuschen Wunsch nach Silvester verspürt, dem stellen wir gern Deutschlands Sopranwunder Diana Damrau zur Seite. Nie hat die überragende „Königin der Nacht“, die „Lucia di Lammermoor“ und „Traviata“ ihre Liebe zur leichten Muse schamhaft unter der Opernrobe verborgen. Jetzt aber ist mit „Operette“ (Erato) das Bekenntnisalbum da. Damrau glänzt: süß die Höhen, sündig das Timbre. Als Künstlerin setzt sie sich mit diesem von Ernst Theis und dem Münchner Rundfunkorchester äußerst genretauglich begleiteten Album aber auch herzwärmend für Vergessenes ein. Da ist neben „Frau Luna“ und dem „Weißen Rössl“ eben auch Platz für „Faschingsfee“, „Favorit“ und „Opernball“ – und für Jonas Kaufmann als Gaststar! Champagnerlaune aus den Boxen!
Berauschende Großtat
Einzeln haben wir sie vorgestellt. Nun liegt einer der besten Aufnahmen aller Sinfonien Anton Bruckners der letzten 20 Jahre als Box (Sony) vor. Gipfeltreffen großer Traditionslinien: Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker durchmessen Bruckners Kosmos von der Hölle auf Erden bis zur Sphärenmusik in unglaublicher Brillanz, aber nie in der Gefahr einer reinen Hochglanz-Huldigung. Eine Offenbarung, am besten per Kopfhörer eintauchen in einen Klangrausch ohnegleichen!
Endlich mal eine Frau!
Zu den traurigen Erkenntnissen der Musikhistorie gehört: Wir wissen nicht, was uns an enormen Talenten versagt geblieben ist durch die Unterdrückung der Frauen. Was für ein Weg, den Barbara Strozzi („Lauscht, Ihr Liebenden!“, BR Klassik) im Venedig des Barock gemacht hat!: vom ausgesetzten Kind an der Babyklappe der Lagunenstadt bis zur begabten Komponistin, die mehr als 120 Werke für die menschliche Stimme hinterließ. Die Hörbiografien, die Jörg Handstein in den letzten Jahren Musik-Titanen widmete, haben nun ein Schwesterchen bekommen. Nur 80 Minuten (man weiß über Strozzi einfach weniger als über Bach und Beethoven), aber ein mit viel schöner Musik durchwirktes Panorama einer besonderen Zeit und einer rasanten Biografie.
Influenzerin auf der Geige
Wer wissen will, wie ein aufsteigender Klassik-Stern heute funkeln kann, der betrachte Esther Abrami. Die Geigerin mit französisch-jüdischen Wurzeln zieht ein Heer von Followern hinter sich her, postet auch mal Bikini-Bilder. Lauter Dinge, die konservative Konzertgänger beunruhigen. Gerade darum empfehlen wir ihr neues Album! Wollen Sie nicht mal sehen, wie Ihre Enkel die Ohren aufsperren, wenn eine 27-Jährige auf einer 300 Jahre alten Violine Musik von Animes, Serien wie „The Witch Hunter“ oder Kultfilmen wie „The Hunger Games“ spielt? Natürlich mit großem Sinfonieorchester! Dazu gesellt Abrami moderne Klassiker wie Klänge aus der „fabelhaften Welt der Amélie“. Seidig süffig! Die Beschenkten haben gar keine CD-Player mehr? Dann legen Sie einen Zehner für Spotify ins Kuvert. Vielleicht leckt bei „Cinema“ (Sony) jemand Blut.