Kranenburg. Jaap Robbens Roman „Kontur eines Lebens“ erscheint auf Deutsch erschienen: Erinnerungen an Zeiten, als der Waal zugefroren war und Herzen kalt.
Es gibt ein einziges Dilemma an dem neuen Roman von Jaap Robben: Man kann ihn kaum besprechen, ohne inhaltlich einen wesentlichen Aspekt zu verraten. Wer doch spoilern möchte: Hier der Link zum Interview, in dem er seine Motive offenlegt. Wer sich die Spannung erhalten will, dem sie nur so viel gesagt: Die „Kontur eines Lebens“, so der deutsche Titel des vor einem knappen Jahr erschienenen Romantitels „Schemerleven“, ist weit mehr als nur der Umriss einer Vita.
Der deutsche Titel ist gut gewählt, aber spiegelt nicht alle Nuancen eines „Lebens in der Dämmerung“ wider, die der niederländische Titel anklingen lässt. Halbdunkel ist indes vieles in dieser Erzählung. Die Leserinnen und Leser werden hineingerissen in die – eben – schemenhaften Lebenserinnerungen einer alten Frau namens Frieda, die gleich auf der ersten Seite mit dem plötzlichen Tod ihres Mannes konfrontiert wird.
Die Blumenverkäuferin und der Wissenschaftler
Eigentlich, so der Plan des alten, glücklichen Paares, sollte er sich um sie kümmern, wo sie sich doch kaum noch auf den Beinen halten kann. Nun aber liegt er mit einem tödlichen Infarkt auf der Bahre des Krankenwagens. Und als wäre es nicht schlimm genug, dass sich ihr gegenwärtiges Leben in Trümmer auflöst, ist es genau dieser Blick auf die Bahre, der bei ihr eine Lawine von Erinnerungen auslöst an den Eiswinter von 1963, als der Waal (und der Niederrhein) zugefrorenen war und die junge Blumenverkäuferin bei der Wanderung durch die Eisschollen auf einen älteren Mann, einen Naturwissenschaftler, trifft und eine Affäre beginnt.
Kunstvoll verschachtelt Robben die Szenen aus der Gegenwart, in der Frieda den Umzug in ein betreutes Wohnen verkraften muss. Und warum sie versonnen und sorgenvoll einem Nachtfaltern hinterherblickt, der sich in einem Spinnennetz vor ihrem Fenster verfangen hat, wird den Leserinnen und Lesern erst klar, wenn sie sich auch schon haben einspinnen lassen von der Erzähltechnik Robbens.
Mehrteilige Serie über das Kriegsende
Jaap Robben ist ein Spezialist dafür, die Vergangenheit in Erzählungen wieder lebendig werden zu lassen. So schrieb er für die NRZ eine mehrteilige Serie über den Zweiten Weltkrieg und seine Spuren diesseits und jenseits der Grenze am Niederrhein. 2016 sorgte er mit seinem Erstlingswerk „Birk“ in den Niederlanden für Furore.
In seinem Roman entfaltet er beim Blick zurück das Nimwegen und den Niederrhein der 60er Jahre und richtet damitden Blick auf eine bigotte Welt, getränkt vom moralinsauren Katholizismus jener Zeit, dessen Moralkeule Frieda zu spüren bekommt, als sie schwanger wird von Otto, ihrem verheirateten Verehrer. Sie verliert ihren Job, ihr Elternhaus und ihre Perspektive.
Es mag in unseren, auf andere Weise moralinsauren Zeiten, beinahe schon riskant sein, sich als 40-jähriger Mann in den Kopf einer über 80-jährigen, leicht dementen Frau zu begeben und auch anschaulich ihre körperlichen Erfahrungen zu beschreiben. Jaap Robben wagt es und gewinnt – und wir mit ihm.
Und hier stellt Jaap Robben sein Buch vor:
Die Deutschlandpremiere des Buches feiert Jaap Robben (39) am Montag, 21.08. im Spiegelzelt im Forstgarten in Kleve. Tickets hier. Weiterer Termin: 23.08. Stadtbibliothek Mönchengladbach.
„Kontur eines Lebens“, übersetzt von Birgit Erdmann, ist erschienen im Dumont-Verlag Köln, 320 Seiten, 24 Euro, E-Book 19,99 Euro,