Essen. Jahrzehnte diktierte sie in Kinderzimmern, was schön zu sein hat an Frauen. Nun macht das Kino „Barbie“ filmreif. Wir sagen, was der Film kann.

Es war einmal ein Mädchen mit langen blonden Haaren und keckem Grinsen im Gesicht. Dieses Mädchen präsentierte sich 1959 erstmals der Öffentlichkeit und war auf Anhieb sehr beliebt. Denn dieses Mädchen hatte ausnahmslos sympathische Eigenschaften, es war zudem höchst anpassungsfähig und intelligent. Es gab in all den Jahrzehnten seither keinen Beruf und keinen Sport, in dem das Mädchen nicht Fuß fasste. Selbst Nobelpreise und das Präsidentschaftsamt der Vereinigten Staaten von Amerika konnten erobert werden. Es gibt nur ein konstantes Problem. Barbie, so heißt das Mädchen, kann sich nicht selber anziehen.

Barbie ist die meistverkaufte und meistgeschmähte Spielzeugpuppe der westlichen Hemisphäre. Zusammen mit ihrem männlichen Pendant Ken hat sie Generationen von Kindern ein Menschen- und Weltbild vermittelt, das je nach elterlicher Einstellung erstrebenswert oder verheerend ist. Und jetzt ist Barbie zum ersten Mal verfilmt worden mit echten Schauspielern in weitgehend echten Kulissen. Die Australierin Margot Robbie spielt die Titelrolle, Ryan Gosling gibt den Ken, und als im vergangenen Jahr erste Fotos die Stars im Outfit zeigten, war die Vorfreude beträchtlich.

„Barbie“ im Kino: Frontalangriff auf die wertkonservative Zielgruppe

Das fertige Produkt ist eine Musical-Komödie als Frontalangriff auf die weiße, mittelständische, wertkonservative Zielgruppe des Barbie-Markts. Was fast einer Predigt für die Gläubigen gleichkommt, denn niemand glaubt ernsthaft, Barbie wäre jemals für die schwarzen und hispanischen Elendsviertel entwickelt worden. Die Puppe ist bis heute Mickey-Mouse-weiß. Und der Film ist es trotz allerlei Farbtupfer in den Massenszenen ebenso.

Worum geht es überhaupt? Barbie lebt im keimfrei sauberen Barbieland, wo alle Mädchen Barbie heißen und alle Jungens Ken – bis auf Allan, der nichts als ein Außenseiter ist. Eines Morgens erlebt die Archetyp-Barbie, dass sie nicht mehr perfekt ist. Zusammen mit Ken, der so gern ihr gleichberechtigter Freund wäre, reist sie nach Los Angeles, um jemanden zu finden, der an sie glaubt und ihr so zu altem Glanz verhilft. Barbie wird fündig, Ken aber auch. Er steigt ein in die Männlichkeitsideale des amerikanischen Traums, geht zurück nach Barbieland und beginnt mit der Umerziehung, denn jetzt haben die Kerle hier das Sagen. Derweil jagt der Chef des Spielzeugkonzerns Mattel (verkörpert vom einmal mehr unsäglichen Will Ferrell) hinter Archetyp-Barbie her, weil man fürchtet, dass sie sich emanzipieren könnte.

Im Kino geht Barbie sogar zum Frauenarzt

Was sie dann auch tut. Am Ende wird sie sogar den Gang zum Frauenarzt wagen, denn Barbie ist ja ohne primäre Geschlechtsteile. Was im Internet schon manch hitzige Diskussion auslöste und die Frage aufwirft, ob die Leute keine anderen Sorgen haben. Aber der Film ist nun mal da und er ist zuvorderst ein Nischenprodukt für den Hipstermarkt. Denn Regisseurin Greta Gerwig und Co-Autor Noah Baumbach sind nun mal überzeugt von improvisierten Dialogen und einem abgebrühtem Sitcom-Wortwitz, der sich mit Zitaten und Verweisen auf amerikanische Popkultur wichtigmacht (der Prolog parodiert allerdings gekonnt Kubricks „2001“).

Selbstironie und Revue-Nummern, „Barbie“ ist nichts für Trump-Fans

Für die Wissenden im Publikum gibt das viele Anlässe zur Selbstbeglückwünschung, weil sie an den richtigen Stellen lachen. Immerhin: Anhängerschaften jener Kreise aber, die das Frauenbild von Donald Trump und die Familienwerte von Ron DeSantis teilen, werden den Film hassen. Der Rest in der Mitte mag sich daran ergötzen, dass Torten in die richtigen Gesichter gepfeffert werden und die Stars die Rollen mit viel Selbstironie und wenig sonst ausfüllen. Der Film bleibt eine Folge von substanzarmen Revue-Nummern.

Etwas wenig für eine große Produktion, zumal das Drehbuch trotz der zwei Stunden Spielzeit keinen zweiten satirischen Blickwinkel zulässt. Man kann immer wieder mal lachen, aber hinterher wird man ernüchtert feststellen, dass nichts wirklich lebt in diesem Film.

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WER SPIELT BARBIE?

Margot Robbie, 1990 geboren, stieg 2013 als Partnerin von Leonardo DiCaprio in der Vulgär-Satire „The Wolf of Wall Street“ zum Star auf. Als Erotikbombe mit großen Augen und exaltiertem Spiel prägte sie in der Folge Comicrollen („The Suicide Squad“), etablierte sich aber auch als profunde Charakterdarstellerin. Ihre Auftritte in „Tonya“ und „Bombshell“ waren für Oscars nominiert.