Köln. Die Pet Shop Boys bleiben in der Kölner Arena sparsam mit Bewegungen, aber sie bewegen eine Menge: „Schatz, weißt Du noch?“
Bewegung auf der Bühne? Wo kommen wir denn da hin?! Chris Lowe ist von Natur aus sowieso eher ortsgebunden, da vorne hinter seinem Synthesizer. Und Neil Tennant macht an diesem Abend in der Kölner Arena auch nicht wirklich Meter. Warum auch?, bekommt man doch nach über 40 Jahren im Business, 14
Alben, unzähligen Charthits und sage und schreibe mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern eine grundgütige Gelassenheit. Reicht ja auch, wenn an einem Samstagabend mitten in den Sommerferien und jeder Menge kölschem Kontrastprogramm rund 10.000 Fans ordentlich in Bewegung sind.
Dafür öffnen die Pet Shop Boys aber doch sehr gerne ihr Pop-Poesiealbum. Beginnend mit einer Zeit, in der man erst auf Kassette und dann auf CD noch seine Lieblingshits zusammenstellte, die Clubs noch Discos hießen und die neuesten Musikvideos auf MTV wochenlang in aller Munde waren. Nein, der knapp 65-jährige Taktgeber Lowe und sein bald 69-jähriger Stimmkörper Tennant haben es immer noch drauf, sind kein bisschen leise und überhaupt nicht klein zu kriegen. Nach ihrem jüngsten, durchaus mit guten Kritiken bedachten Album „Hotspot“ – ein musikalischer Liebesbrief an Berlin – haben die Boys noch einmal eine Werkschau der vergangenen vier Jahrzehnte nachgeliefert: „Smash“ heißt das bunte „Best of“.
„Suburbia“ und „Rent“, „New York City Boy“, „Always On My Mind” und „It’s A Sin”
Und auch an diesem Samstag nimmt die 25-Song-Party schnell Fahrt auf, legen die Boys ihre Hits perlenschnurschön im Minutentakt nach. Von „Suburbia“ über „Rent“, „New York City Boy“, „Always On My Mind” und „It’s A Sin” bis hin zum romantischen Duett mit Backgroundsängerin Clare Uchima bei „What Have I Done To Deserve This?” unter der Straßenlaterne. Bei den Zugaben beschränken sich die Boys auf „Being Boring” und „West End Girls”. Mit diesem Song gelang dem Duo aus London dereinst (1984 war das) der Durchbruch. Wobei auch das erste Zusammentreffen nach einer Geschichte aus dem Poesiealbum klingt. In einem Elektronikgeschäft in der Londoner King’s Road suchte Neil Tennant nach einem Kabel für sein Keyboard, und kam dort mit Chris Lowe ins Gespräch. Sie tauschten Telefonnummern aus. Musikjournalist trifft Architekturstudent – so simpel kann eine Weltkarriere manchmal starten.
Auch einige Jährchen später machen die „Jungs aus der Zoohandlung“ einfach nur ihr Ding – und dieses Ding funktioniert heute noch genauso smart wie in den Anfangstagen. Weil sie jeden mitnehmen auf ihre muntere Fahrt – die Generation der 80er und 90er, die LGTQB-Community, die Fußballfans, die Freunde des Elektropops sowieso. Und ja, auch ganz viele Pärchen im weiten Rund der Arena. „Schatz, weißt Du noch? Das ist doch unser Lied!“, zwinkert da einer grinsend seiner Frau zu. Hymnen machen Spaß, erst Recht wenn sie für die meisten hier und heute die Hymnen der eigenen Jugend sind.
Neil Tennant im Trenchcoat, in der Smoking-Jacke, im Party-Mantel
Die Pet Shop Boys beamen sich wie kaum eine andere Band fast spielerisch in die Moderne, auch weil sie immer ein Häppchen Selbstironie in ihre bisweilen pathetischen Songlinien einbauen. Zum Gesamtpaket gehört da eben auch Tennants Outfit. Britischer Trenchcoat zu Beginn, dann Smoking-Jacke, dann silberfarbener Party-Mantel. Vor dem bunt glitzernden Schauspiel auf der Videowall. Genusskino mit Augenzwinkern.
Apropos genießen. Das machen die Boys auch gerne in ihrer Wahlheimat Berlin, bei Spaziergängen um den Schlachtensee, bei der Fahrt mit der U1 oder beim Stückchen Kuchen in Zehlendorf. An diesem Abend findet Tennant auch Köln ganz „wunderbar“. Winkt und lächelt am Ende der gut 110 Minuten zelebrierter Pop-Kultur zufrieden ins Publikum. Sogar Chris Lowe huscht ein Abschiedslächeln übers Gesicht. Mehr muss es aber auch wirklich nicht sein. An Bewegung auf der Bühne.