Essen. Indiana Jones hat auch 42 Jahre nach seinem Leinwand-Debüt nichts von seiner Faszination eingebüßt. Warum eigentlich?
Ist es der Hut? Seine Peitsche? Das Buschmesser? Oder doch sein großes Herz? Indiana Jones hat auch 42 Jahre nach seinem Leinwand-Debüt nichts von seiner Faszination eingebüßt. Der Archäologe in Lederjacke, der stets auf die Jagd nach religiösen Artefakten, Nazis und schönen Frauen geht, zählt bis heute zu den populärsten Figuren der Filmhistorie. Doch was macht „Indy“, so der Rufname des nahbaren wie rauflustigen Helden, zum Mythos? Eine Spurensuche – pünktlich zum Kinostart des fünften Teils dieser Reihe: „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“.
Alles begann 1977 auf Hawaii. Dort trafen sich die beiden Filmemacher George Lucas und Steven Spielberg. Beide galten dank Kassenknüllern wie „Star Wars“ oder „Der weiße Hai“ als größte Regie-Versprechen in der US-amerikanischen Branche, beide verfügten zudem über eine untrügliche Nase für erfolgversprechenden Stoff. Gemeinsam heckten sie den Plan aus, dem altmodischen Abenteuerfilm, der seine Hochzeiten in den 30er -Jahren erlebt hatte, neues Leben einzuhauchen. Protagonist sollte ein Draufgänger sein, der tagsüber an der Uni lehrt und abends durch den Dschungel streift, um goldene Götzenbilder in verwunschenen Höhlen aufzuspüren.
Indiana Smith sollte dieser Held nach den Plänen von Lucas heißen. „Ich fand alles super an diesem Projekt, nur den Namen des Helden mochte ich nicht“, blickt Spielberg in einer „Indy“-Dokumentation des TV-Senders Arte zurück. „Wie wäre es denn dann mit Indiana Jones?“, fragte Lucas nach kurzem Überlegen zurück. Spielberg nickte. Der Rest ist Filmgeschichte.
So zufrieden das kongeniale Duo mit seiner Ideenschmiede war, so schwierig gestaltete sich die anschließende Suche nach einem Studio, das die Finanzierung dieses Projekts stemmen wollte. Nach unzähligen Absagen gab Paramount Pictures grünes Licht. Der Glaube, dass dort der nächste potenzielle Blockbuster entstehen könnte, er fehlte aber dennoch bei vielen Studio-Verantwortlichen. Welch grandioser Irrtum!
Welcher Schauspieler passt?
Die schwierigste Frage sollte als erste geklärt werden: Welcher Schauspieler schlüpft in die Titelrolle? Spielberg schlug gleich Harrison Ford vor. Doch Lucas, der bei „Indy“ nur als Produzent auftreten wollte und seinem nicht minder berühmten Mitstreiter freiwillig die Regie überließ, war dagegen. „Harrison war zu diesem Zeitpunkt schon ein Held in zwei meiner Star-Wars-Filme. Ich wollte jemand anderen“, erzählt Lucas.
Als Favorit kristallisierte sich schnell Tom Selleck heraus. Es wurden sogar schon Testaufnahmen mit ihm gemacht. Doch dann kam heraus, dass der Mann mit dem markanten Schnurrbart bereits vertraglich für eine neue TV-Serie gebunden und somit für die „Indy“-Dreharbeiten unabkömmlich war. Besagte Serie trug den Titel „Magnum“ – und wurde später nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ein Einschaltquoten-Hit. Selleck wurde zwar dadurch zwar reich und berühmt. Aber eben nicht als peitschenschwingender Archäologe, sondern als Ferrari fahrender Privatdetektiv. Also fiel die Wahl dann doch auf Harrison Ford.
Der unterschieb gleich für drei Filme, denn Lucas hatte schon im ersten Entwicklungsprozess der Story eine Trilogie im Sinn. Die Dreharbeiten zu „Jäger des verlorenen Schatzes“ sollten im Sommer 1980 starten. Der Hauptdarsteller musste vor dem ersten Dreh aber erst noch den Umgang mit der Peitsche erlernen. „Die Ausbildung und der Umgang ist härter, als man meint“, gab der Titelheld in der Doku zu.
Als die Rollen noch nach und nach verteilt wurden, stand eines schon längst fest: das Outfit von Indiana Jones. „Das Kostüm muss eins mit dem Charakter werden – und das möglichst perfekt“, erzählt die seinerzeit für die Kostüme zuständige Deborah Nadoolman. Denn nur dann habe man die Chance, dass „einem das Publikum die Person als Ganzes abkauft“. Allen Beteiligten war schnell klar, dass der „Indy“-Look etwas Abgenutztes, Verbrauchtes haben sollte. „Das Kostüm musste so aussehen, als ob Indiana nicht nur darin geschlafen hätte, sondern als ob er jeden Tag seines Lebens darin verbracht hätte“, erzählt die Kostüm-Fachfrau. Die neue Lederjacke bearbeitete sie mit Stahlbürsten und Harrison Fords Schweizer Taschenmesser und ließ sie so in Minutenschnelle äußerlich um Jahre altern.
Der richtige Mann am falschen Ort
Das galt auch für den legendären „Indy“-Hut. Der stammte vom berühmten englischen Hutmacher Herbert Johnson und war als australisches Modell gefertigt. Soll heißen: mit breiterer Krempe und etwas zu hoher Krone. „Damit der getragen aussah, haben sich Harrison und ich einfach abwechselnd ein paar Mal draufgesetzt – und fertig“, erzählt die Kostümbildnerin und lacht.
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Obwohl der erste Teil vornehmlich in Ägypten spielt, wurden diese Sequenzen in Tunesien gedreht – nicht weit von jenen Wüsten-Schauplätzen entfernt, an denen George Lucas zuvor sein „Star Wars“-Abenteuer hatte beginnen lassen. Dieser Trend zum „falschen Drehort“ sollte sich später in der Reihe fortsetzen: Der in Indien spielende Teil zwei „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ (1984) wurde in Sri Lanka gefilmt. Die Locations für Teil drei „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) lagen in Spanien und Jordanien.
Auf den Hund gekommen
Was ist noch stilbildend für diese Saga über den unverwüstlichen Schatzjäger? Die Gegenstände, denen er in den Filmen nachjagt, haben einen religiösen Bezug. Ihnen haftet etwas Mystisches, Sagenhaftes an. Wie in Teil eins die Bundeslade – also jene goldene Truhe, in der die Hebräer die originalen Steintafeln mit den Zehn Geboten aufbewahrt haben sollen. In Teil zwei sind es fünf heilige Sankara-Steine, ein Symbol im Hiduismus für den Gott Shiva. Der Heilige Gral ist in Teil drei das Objekt der Begierde. Bei „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ (2008) ist es besagtes Artefakt aus einer frühen südamerikanischen Hochkultur. Und nun, im aktuellen Werk, eben das ominöse Rad des Schicksals.
Markant sind auch die Ekel-Elemente: Indy und seine Begleiter bekommen es nacheinander mit Spinnen, Schlangen, Insekten, Käfern und Ratten zu tun. Und die krabbeln und schleichen und kriechen nicht einfach nur so herum, sondern rücken den Helden jeweils so richtig auf die Pelle. Für viele Kinobesucher echte Schockmomente.
Bleibt noch die Frage, woher der ungewöhnliche Spitzname „Indiana“ für seinen Helden denn nun eigentlich stammte? Da lacht Georg Lucas und antwortet: „Das war der Name meines damaligen Hundes.“
Wussten Sie schon:
...Sean Connery, der in Teil drei den Vater von „Indy“ spielt, nur zwölf Jahre älter als Harrison Ford war?!? Die Rolle des schrullig-naiven, aber furchtlos agierenden Professors verkörperte der frühere James-Bond-Darsteller derart glaubwürdig, dass „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ für viele Fans bis heute der beste Film der Reihe ist – so auch für Spielberg selbst.
...Steven Spielberg eigentlich auch bei Teil fünf Regie führen sollte?!? Weil sich das Projekt aber aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über das Drehbuch sowie wegen der Pandemie immer weiter verzögerte, sagte er schließlich ab. Für ihn sprang sein Landsmann James Mangold ein, der mit „Le Mans 66“ und „Walk the Line“ bereits oscarprämierte Inszenierungen abgeliefert hat.
...die „Indy“-Reihe schon mit sieben Oscars ausgezeichnet wurde?!? Fünf Goldjungs gab es für Teil eins, jeweils eine Trophäe für Teil zwei und drei. Vor allem bei den Sound- und den Spezialeffekten sahnten die Macher groß ab.
...das U-Boot aus Teil eins genau jenes Unterwasserfahrzeug ist, das der deutsche Regisseur Wolfgang Petersen für sein Jahrhundertwerk „Das Boot“ erbauen ließ?!? Und weil es zu dem Zeitpunkt in La Rochelle vor Anker lag, verlagerten Spielberg und Lucas die Dreharbeiten kurzerhand für diese Sequenzen nach Frankreich.
...Spielberg Teil zwei für den am wenigsten gelungen der Reihe hielt?!? „Tempel des Todes“ war ihm zu dunkel, zu düster. Dennoch war dieser Film aus privater Sicht der wichtigste für ihn: Denn am Set lernte er Hauptdarstellerin Kate Capshaw kennen – und lieben. Sie heirateten kurz darauf und sind bis heute zusammen.
...John Williams mit dem „Indy“-Titelthema „The Raiders March“ eine der bekanntesten Filmmusiken der Kinogeschichte komponierte?!? Selbst Zeitgenossen, die keinen Film der Reihe gesehen haben, können die Melodie dem Titelhelden sofort zuordnen. Williams hatte ursprünglich zwei Klangfolgen im Kopf. Weil Regisseur Spielberg beide mochte, bat er den Komponisten sie zu verbinden – fertig war eine Filmhymne für die Ewigkeit.
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