Das Festival „Blaues Rauschen“ präsentiert in fünf Städten die Vielfalt elektronischer Musik. Herne, Bochum, Dortmund und Essen sind dabei.

Von allen Festivals im Ruhrgebiet und weit darüber hinaus, die sich der sogenannten (längst schon im gehobenen Rentenalter befindlichen) Neuen Musik widmen, ist jenes mit dem schönen Namen „Blaues Rauschen“ klar das spannendste. Weil seine Kuratoren Eckart Waage und Karl-Heinz Blomann mit scharfem Blick für aktuelle Entwicklungen gut drei Wochen lang in fünf Städten des Reviers internationale Künstler (m/w/d) der elektronischen Avantgarde präsentieren.

Dass dabei die Grenzen zwischen oft radikaler Klangerzeugung, visueller Untermalung und expressiver Performance verschwimmen, macht nachhaltig den Reiz ihres Programms aus. Wobei die spannungsreiche Beziehung „Analog versus Digital“ so etwas wie den roten Faden im abwechslungsreichen Klanggeschehen bildet. Nicht unwesentlich ist dabei die Unterscheidung zwischen elektro-akustischer und elektronischer Musik, die zwar durchaus ähnliche Ergebnisse zeitigen kann, sich aber dafür jeweils anderer Klangquellen und Materialien, kurz: Inputs, bedient.

Bilder und Sounds zum Thema Recycling in Essen

Auch interessant

Wunderbar zu erleben ist diese Divergenz im Essener „Forum Kunst & Architektur“, wo noch bis zum 23. Juni dem Thema Recycling gewidmete Bilder des belgischen Fotografen Paul Bulteel zu sehen sind. Die bildeten den Ausgangspunkt des Projekts „cycle and recycle“, für das Karl-Heinz Blomann zehn Klangkünstler, davon fünf Damen, aus aller Welt eingeladen hatte, jeweils eine fünfminütige Soundproduktion über Wiederverwertung beizusteuern.

Was allein deshalb schon interessant ist, weil die Frage des Umgangs mit vorgefundenen Materialien für die zeitgenössische Musik von erheblicher Relevanz ist. So spiegeln manche Klangkünstler in der in jeder Hinsicht kontrastreichen Videoprojektion vorgefundene Bildinhalte rein akustisch, etwa mit raffiniert geschichteten Geräuschen brechenden Glases. Während andere eher assoziativ visuelle Eindrücke mit akustischen Erscheinungsformen verweben, was zu ganz andersartigen Hörerlebnissen führt.

Wie unterschiedlich aktuelle Klangkunst tönen kann, zeigte sich bereits eindrucksvoll beim Konzertauftakt des Festivals „Blaues Rauschen“, das in den nächsten Tagen noch in Herne,Bochum, Dortmund und Essen zu Gast ist. Im völlig überfüllten „Rabbit Hole“ im Essener Nordviertel kredenzte zunächst Louretta mit dem Bassisten Nicolai Stanzel eine eigenwillige Mischung aus geloopten Synthi-Sounds, reduzierten Piano-Klängen und verhaltener Singstimme, was zu elektronisch grundierter, moderner Singer-Songwriter-Attitüde kulminierte.

Wasserspiele der Klangzauberin Tomoko Sauvage

Den hochpoetischen Kontrast dazu bot die japanische Klangzauberin Tomoko Sauvage in der benachbarten „Neue Musik Zentrale“ mit faszinierenden Wasserspielen. Durch Mikophone verstärkt und per Klangprozessoren gelegentlich intensiviert, klangen da Tropfen wie Cymbals, entwickelten sich rein akustisch durch zarte Handbewegungen im Wasser erzeugte Soundscapes von überwältigender Schönheit, die schließlich gar an Gamelan-Musik erinnerten.

Man schwebte entrückt, um danach, zurück im „Rabbit Hole“, von dem polnischen Elektroniker Piotr Bednarczyk unter seinem Künstlernamen Loufr brachial auf den Boden zurückgeholt zu werden. Mit knallhart geloopten Beats und packenden Drones, deren Finsternis von grellen Stroboskop-Blitzen illuminiert wurde.

Ein heftiger Trip, der durch Mark und Bein ging, absolut Dancefloor-tauglich war und dennoch vom konzentriert lauschenden Publikum nur sitzend, nun ja, genossen wurde. Mehr Abwechslung an einem Abend geht kaum – außer beim Festival „Blaues Rauschen“, das am 23. Juni mit einer Podiumsdiskussion in Essen endet.

Das komplette Programm bis dahin findet man auf www.blauesrauschen.de