Berlin. Das Album „Love Songs“ ist kurz, aber ein Kracher: Peter Fox im Gespräch über kulturelle Aneignung, hohe Steuern für Reiche und Adriano Celentano
Peter Fox, 51, geboren als Pierre Baigorry in Berlin und berühmt für Songs wie „Haus am See“ vom Solodebütalbum „Stadtaffe“ (2008), probt für seine Tournee, gerade hat er sein zweites Soloalbum mit dem interessanten Titel „Love Songs“ veröffentlich. Fox, im Hauptberuf Co-Frontmann der Reggae-Dancehall-Band Seeed, ist gerade der Popstar des Moments, und seine neue Platte – elf Stücke und 35 Minuten kurz – ist ein Knaller. Im Gespräch mit Steffen Rüth gibt sich der verheiratete Familienvater freundlich, empathisch, aufrichtig, selbstkritisch, duckt sich auch bei heiklen Themen nicht weg.
Peter Fox, die Erwartungen an Ihr zweites Soloalbum fünfzehn Jahre nach „Stadtaffe“ waren riesig. Wie sind Sie mit dem Druck zurechtgekommen?
Peter Fox: Tatsächlich habe ich den ganzen Ballast anfangs nicht gespürt, sondern einfach Musik gemacht. Für mich spielt der Vergleich mit „Stadtaffe“ jetzt nicht so eine große Rolle. Und was die Erwartungshaltung betrifft: Die ist da, das merke ich auch, doch daran kann ich sowieso nichts ändern.
Wie haben Sie sich in den fünfzehn Jahren seit „Stadtaffe“ verändert?
Auf jeden Fall bin ich viele Illusionen losgeworden. Früher war ich romantischer veranlagt, habe aber noch mehr versucht, den Toughen zu machen. Jetzt habe ich das Gefühl, das wäre lächerlich. Es ist auch ein Alters- oder Lebenserfahrungsding, dass ich viele Dinge heute nicht mehr so ernstnehmen kann. Als ich jünger war, haben mich Filme total begeistert. Heute denke ich schnell: „Das ist doch nicht echt, sondern ausgedachte Scheiße“. Selbst der Musik- oder Rap-Kultur, wo ich früher auch die Attitüde und die Posen geil fand, kann ich nicht mehr so viel abgewinnen. Seit ich weiß, dass die ganzen Rapper auch nur Würste sind wie ich, kriegt mich das alles nicht mehr so.
Adriano Celentano singt mit Ihnen das Duett „Toscana Fanboys“. Wie haben Sie ihn dazu gewinnen können, mitzumachen?
Wir hatten in der Toskana zwei Wochen im Studio verbracht, weil es nicht so geil ist, immer nur in Berlin zu sein. Wir haben die Zeit dort echt total geliebt und auch den Song selbst in der Toskana geschrieben. Vielleicht konnte sich Celentano noch an mich erinnern, denn vor zwanzig Jahren hat er uns mit Seeed mal in seine Fernsehsendung in Italien eingeladen. Jedenfalls hat er gesagt: Okay, mach ich. Ganz unkompliziert war es dann trotzdem nicht, er ist auf jeden Fall auch eine Diva. Aber toll, dass er dabei ist.
Sie haben 2009 deutlich gesagt, dass Sie nur noch im Kollektiv Musik machen möchten. Jetzt sind Sie doch wieder solo am Start…
… ja, bescheuert, ne (lacht).
Wie kam es zu dem Meinungsumschwung?
Das mit dem Kollektiv stimmt nach wie vor. Ich habe die Platte nicht im stillen Kämmerlein gemacht, sondern zusammen mit sehr vielen guten Musikern und Produzenten. Mit anderen Leuten zusammen Musik zu machen ist viel geiler als alles alleine zu machen. Ursprünglich war auch jetzt, wie schon bei der ersten Peter-Fox-Platte, wieder nicht geplant, ein Soloalbum zu machen. Ich wollte mit dem Rapper Trettmann ein paar Songs zusammen machen, eine EP vielleicht, dann hat er aus diversen Gründen abgesagt, ich hatte aber schon angefangen mit Beats und ein paar Themen. Irgendwann hatten wir sechs, sieben Songs und dann hieß es gleich „Ey, warum machst du kein Album?“ Erst wollte ich nicht. Dann dachte ich „Warum eigentlich nicht?“ Und jetzt ist es halt so (lacht).
„Zukunft Pink“ ist gleich ein Riesenhit geworden. Haben Sie mit den begeisterten Reaktionen gerechnet?
Nein. Mich freut natürlich sehr, dass „Zukunft Pink“ so gut angekommen ist. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich möchte vor allem versuchen, mich selbst zu begeistern mit dem, was ich mache. Daher haben wir viel Frische drin und nicht viel gemacht, das so klingt wie vor fünfzehn Jahren. Mir geht es nicht darum, was zu machen, das möglichst erfolgreich ist. Ich bin zum Glück ein Popschwein. Ich mag Sachen, die anscheinend auch viele andere Leute mögen. Aber das ist nicht das, worum es mir geht. Sondern ich will frische Sachen machen, die ich jetzt und heute gut finde.
Wie haben Sie sich inhaltlich von „Stadtaffe“ zu „Love Songs“ entwickelt?
Der Humor hat sich ein bisschen geändert. „Stadtaffe“ war ziemlich machohaft, auch wenn ich immer schon versucht habe, klarzustellen, dass ich nicht der Überchef und der große Checker bin. Ich habe versucht, das statusfixierte Affengehabe humorvoll zu betrachten. Der Humor war auch darauf begründet, dass man mit bestimmten Klischees zwischen Mann und Frau spielt. Inzwischen funktionieren halt manche von den Sachen nicht mehr. Aber es gibt definitiv nicht genug Liebe auf der Welt – deshalb beschloss ich, die Platte so zu nennen.
Sehen Sie zwischen „Stadtaffe“ und „Love Songs“ auch Gemeinsamkeiten?
Musikalisch auf jeden Fall, auch wenn ich es tendenziell langweilig finde, mich zu wiederholen. Aber bei „Regen in Dubai“ haben wir wieder schöne Streicher dabei, das ist bewusst eine Farbe von damals, die ich einfach auch liebe. Noch mehr als mit Streichern haben wir allerdings mit Chören gemacht. Ganz wichtig bei der Produktion war mir, dass man hört, dass Menschen involviert sind. Dass es nicht wie eine Laptop-Produktion klingt. Wir haben zum Beispiel mit Freunden Gesangsessions beim Barbecue im Garten gemacht. Wir haben extrem darauf geachtet, dass man Leute hört.
Sie erwähnen in „Zukunft Pink“ die „Tax me now“-Kampagne, in der Aktivist:innen dafür eintreten, dass reiche Menschen und Erben mehr Steuern zahlen. Wo sehen Sie die Verantwortung der Reichen und Superreichen dieser Welt?
Ich habe mir immer gewünscht, dass die Leute mich danach fragen, als „Zukunft Pink“ rauskam. Da ich ein reicher, durch Musik reich gewordener und sehr privilegierter Mensch bin, mache ich mir viele Gedanken. Ich sehe auf der anderen Seite, dass es sehr starke Kräfte gibt, die darauf beharren, dass alles so bleibt, wie es ist. Das finde ich nicht gut. Ich will aber auch nicht in einem Song sagen „Mehr Gerechtigkeit! Steuern rauf!“ Das wäre kein sexy Song. Deshalb habe ich versucht, das Thema so einzupacken. Das ist vielleicht meine Art, meine Inhalte rüberzubringen und trotzdem noch ein bisschen den Coolen zu machen.
Für „Zukunft Pink“ sind Sie allerdings nicht nur gefeiert, sondern auch hart angegangen worden. Es hieß, etwa von dem Journalisten Malcolm Ohanwe, Sie hätten den südafrikanischen Dance-Music-Stil Amapiano verwendet, ohne ausreichend kenntlich gemacht zu haben, woher diese Musik kommt. Der Vorwurf lautet: Kulturelle Aneignung.
Wir waren auf der Bühne immer relativ multikulturell unterwegs, bloß war das vor zwanzig Jahren, auch in unserer Bubble, einfach nicht so ein Thema. Ich akzeptiere, dass sich vieles geändert hat seitdem. Es ist größtenteils richtig so, wenn sich Leute melden, für ihre Rechte einstehen und sagen „Dieses finden wir nicht cool, und jenes muss sich ändern.“ Da haben wir alle, auch ich, noch einiges zu lernen. Ich fand trotzdem die Diskussion nicht cool und nicht fair. Jeder, der mit mir zu tun hat, weiß, dass das nicht meine Musik ist. Ich habe das auch nie behauptet, im Gegenteil. Das wurde von der anderen Seite nicht gut und akkurat recherchiert. Plötzlich stand ich vor der Situation, dass über meine Person kulturelle Aneignung verhandelt wurde, während andere Punkte, die mir mit dem Song voll wichtig waren, zum Beispiel „Tax me now“, überhaupt nicht besprochen wurden. Aber da gibt es kein Rumgeheule, auch wenn mich die Diskussion betroffen gemacht hat. Ich sage mal: You live, you learn. Ich hätte das alles geiler kommunizieren müssen, dann wäre es auch smoother gelaufen.
Hat Sie der Angriff kalt erwischt?
Ja, mir hat die Geschichte zwei Monate lang praktisch den Stecker gezogen. Mich hat das sehr bedrückt und auch beschäftigt.
Künstler sind oft Sprachrohre für die Themen der Zeit. Inwieweit haben Sie Lust, Ihre Plattformen und Ihre Bekanntheit zu nutzen, um diese Themen noch mehr zu besprechen?
Leider hat das bisher nicht funktioniert. Ich habe 2017, 2018, einen politischen Podcast für „radio eins“ gemacht und musste feststellen, dass das nur die Wenigsten interessierte. „Hey, mach mal einen neuen Song, Digga“ – das war immer so die Ansage. Da konnte ich fünfmal den Afrikabeauftragten der Merkel-Regierung interviewen. Das war einfach ein Nischending gewesen, ich bin da auch ein bisschen naiv gewesen. Die Leute wollen von mir Musik hören. Ich finde es auch total schwer, politischen Biss zu entwickeln, ohne dass die Musik leidet.
Ein echtes Dilemma.
Absolut. Ich mag Musik, die easy ist und fließt. Ich muss Musik fürs Herz machen. Ich wäre manchmal gern Deichkind oder eine andere Band, die mit Slogans arbeitet. Die können da anders agieren. Oder eine Punkband. Aber ich mag halt lieber meine Musik, und in der ist es total schwierig, einerseits das Herz zu erreichen und andererseits Inhalte zu vermitteln. Bisher war meine Strategie: Ich lagere das aus. Aber, ob irgendwo ein Sack Reis umfällt oder ob ich einen Podcast mache, das macht keinen Unterschied. Die Erkenntnis ist: Wenn du politisch was erreichen willst, dann musst du in die Politik gehen. Das wäre der einzige Weg, um das zu bewegen, was ich gerne bewegen würde. Denn die Anzahl der Leute, die zu „Zukunft Pink“ im Club tanzt und über die „Tax me now“-Bewegung nachdenkt, der ist sehr klein.
Wäre es denn eine Option für Sie, politisch aktiv zu werden?
Das muss ich mir sehr gut überlegen. Wenn ich einmal damit anfange, kann ich mir nie wieder den Hut des lockeren Musikers aufsetzen. Ich weiß auch nicht, ob ich das Rüstzeug hätte, Politiker zu sein. Ich bin ein Sensibelchen, ich bin schnell eingeschnappt. Wenn du in die Politik gehst, musst du superhart sein. Die fressen dich dort sonst zum Frühstück – und dafür bin ich nicht gebaut (lacht).
Was sind die Grundwerte des Peter Fox?
Ich bin familiär einerseits liberal, andererseits sehr christlich-konservativ aufgewachsen. Meine Eltern sind noch zusammen, zum Beispiel. Und zwar nicht, weil man das muss oder so macht, sondern weil sie das wirklich fühlen. Auf der anderen Seite ist mir bewusst, dass ich sehr privilegiert bin, mir über bestimmte gesellschaftliche Zusammenhänge einen Kopf machen zu können. Ich habe die Zeit, ich habe die Bildung, den Hintergrund, ich bin auf einem französischen Gymnasium in Berlin gewesen, wo ich viel gelernt habe. Ich glaube auf jeden Fall an Solidarität. Solidarität ist sehr wichtig, denn wenn jemand das Gefühl hat, das an ihn mitgedacht wird, wird er bereiter sein, auch mitzumachen und Ziele mitzutragen, die gemeinsame Ziele der Gesellschaft sind.
Liebeslieder sind ein ganz schwieriges Feld, gerade in Deutschland. Warum heißt Ihr Album „Love Songs“ und ist voll mit Liebesliedern?
Ich wollte das Album erst „Zukunft Pink“ nennen, aber dadurch, dass ich erstens den Song ein bisschen durchgenudelt finde und auch durch diese leichte graue Wolke, die durch die Aneignungsdiskussion über dem Stück hing, wollte ich einen anderen Titel. Ich überlegte, worum es in den Songs geht, was ich eigentlich vermitteln will, und heraus kam: Liebe. Punkt. Das Album ist voller Geschichten, die mit Liebe zu tun haben – es gibt ein paar Liebeslieder im klassischen Sinne wie „Tuff Cookie“ oder auch Songs über die Abwesenheit von Liebe.
Worum geht es in „Gegengift“?
Dass es für meinen Geschmack zu viel Rumgebeiße und Aufgerege da draußen gibt. Dass man nur guckt, was einen am anderen stört, wie ich mich von den vermeintlichen Feinden abgrenzen kann, was ich Scheiße und was ich kritikwürdig finde. Und dagegen möchte ich ein Gegengewicht finden.
In „Ein Auge blau“ bekommen Sie ganz schön auf den Deckel, in „Zukunft Pink“ schauen Sie mit sehr viel Zuversicht aufs Leben. Wie haben Sie selbst die Liebe in den vergangenen Jahren empfunden?
Das Leben besteht aus einem Haufen persönlicher Krisen, durch die man geht und aus denen man wieder rauskommt. Mal hat man eine geile Zeit, und dann ist es wieder scheiße. Ich bin mir schon bewusst, dass ich eigentlich ein sehr cooles Leben habe. Seit ich 30 bin, kann ich vom Musikmachen super leben, und inzwischen wirklich mehr als super, und trotzdem habe ich Sachen, die bei mir überhaupt nicht funktionieren, bei denen ich voll der Loser bin. An denen arbeite ich, und merke: Man bleibt doch der, der man ist (lacht).
Freuen Sie sich eigentlich auf die ganzen Konzerte und Festivals?
Eigentlich habe ich total Bock, mir fehlen aber noch zwei Wochen, um richtig vorbereitet zu sein für die Shows und noch mehr zu proben. Ich habe das Gefühl, wir sind noch nicht richtig fertig, also nutzen wir die Warm-Up-Tour noch ein bisschen, um in Schuss zu kommen.
Sie haben im „Spiegel“-Interview gesagt, dass Sie sich zu alt fühlen, um Popstar zu sein. Warum machen Sie das dann trotzdem hier?
Ich habe keine gute Antwort auf diese sehr gute Frage. Ich merke oft: „Eigentlich ist das hier nicht mehr deine Rolle“. Weil ich viel zu viel hinterfrage und die ganzen Posen lächerlich finde, auch die neuen Tänze kann ich überhaupt nicht. Deshalb habe ich tatsächlich das Gefühl, dass ich zu alt hierfür bin, auf der anderen Seite macht es mir aber noch recht viel Spaß.
Gibt es nach „Love Songs“ noch weitere Peter-Fox-Alben?
Vielleicht bringen wir noch den einen oder anderen Song raus, der nicht rechtzeitig für „Love Songs“ fertiggeworden ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich so eine Nummer nicht nochmal mache. Ich weiß, das habe ich 2009 auch schon gesagt. Damals hatte ich keinen Bock mehr, Solopopstar zu sein und wollte wieder mit Seeed loslegen. Inzwischen denke ich, ich habe echt alles erzählt. Und ich finde auch andere Sachen im Leben noch sehr spannend. Ich sehe mich nicht mit 70 auf der Bühne noch „Schüttel deinen Speck“ singen (lacht).
Peter Fox live: 2. Juni, Köln, Südbrücke; 9. Juni Dortmund, Revierpark Wischlingen; 1. Juni Köln, Fühlinger See; 26. August Essen, Seaside Beach Baldeney