Dortmund. Helene Fischer spielt nach fünf Jahren wieder in der Westfalenhalle Dortmund. Beim NRW-Auftakt ihrer neuen Show begeisterte sie ihre Fans.
Am Ende, ganz am Ende – nach insgesamt drei Stunden, zwei Showblöcken mit 30 Minuten Pause dazwischen und 29 Stücken – steht Helene Fischer ganz allein auf der Bühne. Über ihr ein weißes, schräg gestelltes Rund, von dem aus azurblaue Laserstrahlen sternförmig bis zum Boden reichen. Sie umrahmen Fischer wie eine Ikone. Eine Ikone, geweiht der Demut und der Dankbarkeit. Auf ihren Lidern glitzert es golden. „Ich geb’ dir alles, alles von mir. Für heute, für immer bleib’ ich bei dir“, singt Helene Fischer. Und es klingt wie ein Versprechen. „Durch Höhen und Tiefen, egal, was passiert. Ich geb’ dir mein Wort auf ein Leben mit dir. Ich geb’ dir alles, alles von mir.“ Und es klingt wie die Wahrheit. Für 9000 hingerissene Fans, denen sie Dienstagabend in Dortmund alles gegeben hat, was sie kann, was sie ist und was sie auszeichnet.
Auch wenn das allerletzte Stück „Alles von mir“, das um 23.02 Uhr dann doch verklingt, tatsächlich ein Liebeslied ist. Adressiert an einen Namenlosen oder eine Namenlose. Aber man kann es prima umdeuten. Es steckt, wie in so vielen Stücken der 38-Jährigen, scheinbar, eine geheime Botschaft darin. Für jeden und jede, die zu ihrer treuen Anhängerschaft gehören. Im Idealfall seit 2006, als sie ihr Debütalbum „Von hier bis unendlich“ veröffentlichte.
Bis Anfang Oktober stehen auf der „Helene Fischer Live 2023“-Tour insgesamt 71 Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dem Programm. Nach dem fünftägigen Auftakt in Hamburg, Premiere war am 11. April, ist Dortmund die zweite Station und die erste in NRW.
Helene Fischer in Dortmund mit viel "Rausch"
„Endlich sind wir wieder vereint, fünf Jahre ist es her, dass ich bei euch in Dortmund spielen durfte“, begrüßt die zierliche Blondine ihr Publikum und verspricht ein Repertoire mit „allen möglichen Stücken, alten und neuen“. Tatsächlich stammen die meisten (13) von ihrem aktuellen Album „Rausch“, das im Oktober 2021 erschien. Die früheren Alben „Helene Fischer“ (2017), „Farbenspiel“ (2013), „Für einen Tag“ (2011), „So wie ich bin“ (2009) und „Von hier bis unendlich“ sind, weit abgeschlagen, mit maximal vier Stücken vertreten, Wobei einige als Teil eines Medleys daherkommen.
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„Rausch“ könnte auch sonst gut und gerne das Motto abgeben, für das, was die staatlich anerkannte Musicaldarstellerin in Dortmund präsentiert. Umgeben von ihren Tänzerinnen und Tänzern, den Akrobatinnen und Akrobaten des Cirque, im Kreis ihrer Backgroundstimmen, bisweilen auch an der Front begleitet von Mitgliedern ihre Band, die oft hinter einer Art riesiger Schiebetür verschwinden, entspannt sich ein Spektakel der Elemente, Kostüme und Farben.
Helene Fischer in der Westfalenhalle
Helene Fischer: Hand in Hand mit ihrem Partner Thomas Seitel
Rot wie die Leidenschaft, wenn sich der riesige, unter der Decke schwebende glühende Facetteschliff-Rubin als Hülle für ein Rondell entpuppt, an dem die Schaukel befestigt ist, mit der Heldin grazil herabschwebt. In einer knappen roten Korsage, die Beine von Netzstrümpfen umhüllt. Später ein Kleid, wie aus Flammen gemacht, sie umwellend, umwallend, umwehend. Ein Bühnenboden, der aus pulsierender Lava zu bestehen scheint, Fontänen, Jonglage-Keulen und Ringe aus Feuer. Blutrote Tuchbahnen, mit denen Luftakrobaten sich um die eigene Achse drehen.
Einer von ihnen ist er. Thomas Seitel (38), mit dem Helene Fischer ihr neues Glück gefunden hat. Kennen gelernt haben sie sich 2017, als sie erstmals mit dem Cirque du Soleil zusammenarbeitete und er zum Ensemble gehörte, Später dann wurde mehr daraus – und im Dezember 2021 die gemeinsame Tochter Nala geboren. „Hand in Hand“ kann man die beiden unter einem Wasserfall erleben, der per Computer gesteuert wird und ein bisschen so aussieht, wie eine Riesendusche. Wenn sie, umgeben von perlenden Tropfen, ihren Pas de deux an den Strapaten aufführen, wirkt das inniglich, romantisch und märchenhaft. Aber auch ein wenig verwunderlich: wieso werden Helenes Haare nicht nass?
Show-Acts fast wie Stunts
Genauso gut könnte man darüber nachgrübeln, wo der Wind herkommt, der vorher und nachher und immer wieder ihre blonde Mähne liebkost, sie in sanften, wohldosierten Pustern flattern lässt. Nur ein bisschen. Nur ganz leicht. Nicht zuviel und nicht zu wenig.
„Es ist ein wundervoller Genuss, mich selbst herauszufordern“, bekennt Helene. Um sich bei „Wunden“ vom Trampolin ans Trapez empor schnellen zu lassen. Bei „Atemlos durch die Nacht“ kopfüber auf einem meterhohen Podest am Ende eines silbernen Roboterarms in die Tiefe zu stürzen. Oder bei „Wann wachen wir auf“ eine gigantische rotierende Klappleiter zu erklimmen und von da aus, nur von einer Hand gehalten, kreiselnd durch die Halle zu fliegen.
Helene Fischer: Volles Programm trotz ihres Rippenbruchs
Alles nicht selbstverständlich. Als sich Helene Fischer im Vorfeld ihrer aktuellen Tour eine Rippe brach, mussten die ersten Konzerte verschoben werden. Sie werden nachgeholt. Dass Helene Fischer 23 Tage nach einem Rippenbruch ihren verzögerten Tourauftakt in Hamburg absolvierte und seitdem keine Show ausgelassen hat, grenzt vor diesem Hintergrund an ein Wunder. Bis eine solche Fraktur überstanden ist, dauert es bei Normalsterblichen sechs Wochen bis zu drei Monaten. Und sie schonen sich in dieser Zeit.
Nicht nur in den Lüften und im Wasser(fall) schneidet Super-Helene blendend ab. Auf einer Mittelbühne, in schwarzer Lederhose und halbtransparentem Bustier, bringt sie auf einem drehbaren Spiegelhocker, umgeben von einer Gitarristin und zwei Gitarristen, drei Backgroundsängerinnen und einem Akkordeonisten ein Medley, das von „Hundert Prozent“ bis „Mit dem Wind reicht“.
Show-Programm von Schlager bis Rammstein
Bei „Regenbogenfarben“ (ursprünglich als Duett mit Kerstin Ott veröffentlicht) wird es fast ein bisschen meinungsfarbenfreudig und bei „Luftballon“(„Ich habe einen lieben Menschen gehen lassen“) sehr, sehr gefühlvoll. „Liebe ist ein Tanz“ ist eine programmatische, formvollendet umgesetzte Ensemblenummer, mitsamt der Tango-Einlage von Fischer und Partner, unbedingt musicalreif. Gelernt ist halt gelernt. Und „Achterbahn“, als letztes Stück vor dem Zugabenteil, mit mächtig Druck und Dampf und Wucht, so ganz und gar nicht schlagerhaftig. Helene Fischer goes Rammstein: „Jetzt ist die letzte Chance – allemal richtig durchdrehen.“ Was dann auch prompt passiert.
Dienstagabend in Dortmund hat Helene Fischer alles gegeben, was sie kann, was sie ist und was sie auszeichnet. Perfektes Entertainment zu bieten, als hoch professionelle Künstlerin, die weiß, das Talent und Charme und Ausstrahlung allein zu wenig sind. Es braucht auch Disziplin und Ausdauer und den eisernen Willen, hart gegen sich selbst zu sein. Kurz gesagt: Leistungsethik.
Konzert-'Marathon' in Dortmund und Oberhausen
In der Westfalenhalle Dortmund gastiert die 38-Jährige noch weitere viermal (Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag). Vom 23. bis zum 28. Mai tritt sie fünfmal in Oberhausen auf, vom 25. August bis zum 2. September siebenmal in Köln.
Bis Anfang Oktober stehen insgesamt 71 Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dem Programm. Bislang sind mehr als 700.000 Tickets verkauft worden. Und die geschätzt 260.000 übrigen Eintrittskarten werden vielleicht auch noch weggehen.