Essen. Yoko Ono, Fluxus-Frau und Lebensmensch von John Lennon, kann heute ihren 90. Geburtstag feiern. Noch immer hat sie viele Pläne für die Zukunft.
Als Yoko Ono vor 15 Jahren in der Kunsthalle Bielefeld auf drei Etagen ihre Werke unter dem Motto „Zwischen dem Himmel und meinem Kopf“ ausstellte, wartete draußen vor dem Museum ein Leichenwagen („BI - YO 2008“), darin konnten Besucher 15 Minuten lang eine vorzeitige Nachtod-Erfahrung machen und sich im Sarg durch Bielefeld fahren lassen. Meist aber lebt die Kunst dieser Frau mehr von der Idee als von der sinnlichen Erfahrung, von der Provokation als Konzept. Ein komplett weißes Schachspiel etwa, ein Plexiglas-Labyrinth.
Yoko Ono selbst hatte damals in Bielefeld vor einem Wald von Mikrofonen bekanntgegeben, sie wolle noch 30 Jahre leben, so viele Pläne habe sie. Nun, die Hälfte davon ist mit ihrem heutigen 90. Geburtstag fast rum, und wie zu hören ist, sind die Pläne dieser extrem zierlichen und doch so überaus energischen Frau nicht weniger geworden. Und noch immer gilt sie vielen Beatles-Fans als Spaltpilz der „Fab Four“, dabei hat Paul McCartney das 2012 deutlich dementiert, und das nicht nur, weil er wie üblich freundlich sein wollte – es dürfte ungefähr die Wahrheit sein. Er und John Lennon hatten sich meilenweit auseinanderentwickelt.
Yoko Ono war damals Avantgarde
Aber ganz unbeteiligt daran war die Japanerin nicht, seit Lennon und sie einander 1966 bei einer Yoko-Ono-Ausstellung in London kennengelernt hatten. Lennon, der Superstar, der mit dem Superstar McCartney auf Augenhöhe gearbeitet und Unglaubliches geschaffen hatte, war vielleicht auch auf der Suche nach jemandem, zu dem er aufblicken konnte. Yoko Ono war Avantgarde. Und zwar nicht im Pop, nicht im Plattenverkaufen wie die Beatles. Sondern in der Kunst, was den ehemaligen Kunsthochschulstudenten womöglich tiefer beeindruckt hat als alles andere. Sie traute sich mehr Provokation als einen flotten Spruch über das Klappern mit den Juwelen an die Royals im Konzert zu richten. Sie hatte sich 1964 in der Performance „Cut Piece“ in New York von Zuschauern nach und nach die Kleidung zerschneiden lassen, bis sie nackt war.
Yoko Ono, Ausnahme-Erscheinung voller Selbstvertrauen: Die in Tokio und den USA superreich aufgewachsene Bankierstochter gehörte zu den wenigen Frauen, die in der Fluxus-Bewegung seit Anfang der 60er-Jahre aktiv wurden – und sie war die einzige Japanerin in der von Europäern wie Beuys und US-Amerikanern wie George Maciunas oder Emmett Williams dominierten Kunstrichtung.
Friedensaktivisten und Hippies
Yoko Ono hatte als Jugendliche den Luftkrieg in Tokio erlebt, die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki prägten ihr Bewusstsein zutiefst. Selbst 2008 in Bielefeld sagte die Witwe mit weißer Ballonmütze, Riesen-Sonnenbrille und recht tiefem, fast noch jungem Dekolleté: Sobald es dem Frieden nutze, komme sie überall hin, selbst wenn „manche mich einladen, weil ich Frau Lennon bin.“ Und: Es sei wichtig, sich den Frieden vorzustellen, das bewirke viel mehr als alle schrecklichen Bilder vom Krieg.
„Imagine Peace“, stand damals auf einem Schild vor der Kunsthalle, selbstverständlich in Anspielung auf den Lennon-Klassiker, der nach den Beatles entstand, nach dem legendären „Bed In“-Happening im Amsterdamer Hotelbett, eine Friedensdemo mit Plakaten, Journalisten, Interviews. Beim zweiten „Bed-In“ in Montreal entstand erst einmal die Hymne „Give Peace a Chance“. Die beiden wurden zu Hippies, ruinierten ihre Karriere. Trennten sich zwischendurch, kamen wieder zusammen, Lennon verfiel den Drogen, kam wieder los davon.
Yoko Ono kümmert sich um John Lennons Nachlass
Und dann 1980 der zweite große Wendepunkt in Yoko Onos Leben. Vor ihrem Wohnsitz, dem prunkvollen Dakota-Building in Manhattan, in dem sie bis heute lebt, erschießt ein irrer Attentäter John Lennon. Seither kümmert sie sich um seinen Nachlass und sein Andenken, neben ihren Ausstellungen. Im gegenüberliegenden Central Park widmete sie Lennon das Denkmal „Strawberry Fields“. Vielleicht ist Yoko Ono, die bei der Aufnahme zum letzten Beatles-Album „Let It Be“ im Studio still dabeisaß, immer ein Fan geblieben.