Essen. Die Berliner Singer-Songwriterin Elif singt auf „Endlich tut es wieder weh“ wortreiche Lieder, die viel mehr zu bieten haben als nur Traurigkeit.

Oh doch, Elif kann auch lustig sein. „Ich hasse alles an dir, außer dem Hund“, singt sie schön diabolisch im sowieso schon schwarzhumorigen bis sarkastischen Trennungsstück „Wenn ich sterbe“. Und als wir Elif zum Gespräch in Berlin, wo sie geboren ist und lebt, nach einigen Anläufen endlich erreichen, freut sie sich wirklich sehr, erstmal nach den witzigen Aspekten in ihrer Songpoesie befragt zu werden. „Humor ist mir tatsächlich sehr wichtig“, sagt Elif. Das Phänomen der Ex-Hunde, Ex-Katzen und vielleicht auch Ex-Frettchen ist im modernen Pop bislang nur unzureichend angerissen worden, und Elif unternimmt nun einen beherzten Schritt, auch dieses Thema zu enttabuisieren.

Aber natürlich wechselt Elif Demirezer auch auf ihrem vierten Album nicht ins Comedy-Fach. Der Titel der Platte „Endlich tut es wieder weh“ ist ja schon mal eine Ansage. Wie schon das vorherige Album „Nacht“ ist das neue statt an den Folk- und Akustik-Klängen ihrer Anfänge nun erneut eher Beat- und Hip-Hop-orientiert. Es setzt sich mit unterschiedlichen Schmerzerfahrungen auseinander. Dazu zählt auch nostalgisch eingefärbte Melancholie wie im herzigen Song „Roses“, in dem sie an schöne musikalische Zeiten mit Oasis und Amy Winehouse zurückdenkt.

„Eine Elif ohne Liebeskummer, die gibt es noch nicht“

Aber auch Trauer ist ein Thema. Und ja, Liebeskummer kommt ebenfalls vor, wobei man bei Elifs wortreichen und klugen Beobachtungen über ihre gescheiterten Beziehungen irgendwie immer denkt, dass die Typen es sowieso nicht verdient hatten, mit ihr zusammen zu sein. Sie selbst mag da nicht widersprechen und sagt: „Eine Elif ohne Liebeskummer, die gibt es noch nicht. Sonst wäre ich ja längst verheiratet.“ Ist sie aber nicht. Sondern Single. Wie sie im flotten „Lonely“ singt, ohne im Geringsten betrübt zu wirken über diesen Beziehungsstatus. „Früher brauchte jemand nur ein süßes Lächeln zu haben, und ich war bis über beide Ohren verliebt“, gesteht Elif. Heute erwarte sie da schon ein bisschen mehr.

Nach wie vor geht es in Elifs Liedern um die gewisse Zerrissenheit zwischen ihrer türkischen Familie und dem deutschen Lebensstil, für den sie sich entschieden hat. „Doppelleben“ hieß ihr zweites Album, doch Grönemeyer- und Marlene-Dietrich-Fan Elif ist es mittlerweile gelungen, ihre beiden Hintergründe harmonisch zu vereinen. Wenn jemand etwa Kopftuch tragen möchte, solle sie es tun. Sie selbst verzichtet darauf und sagt: „Ich bin ein krass weltoffener Mensch, der nicht beurteilt, sondern nur beobachtet.“

2020 erreichte Elif mit dem Hip-Hop-Album „Nacht“ die Top Ten

Elif ist bereits seit 2009 im Geschäft. Sie war 17, als sie bei der Ca­sting-Show „Popstars“ mitmachte, brachte die beiden Akustik-Pop-Alben raus, ging mit Peter Maffay auf eine Unplugged-Tournee. Doch seit sie 2020 mit dem gefühlvollen Hip-Hop-Album „Nacht“ die Top Ten erreichte, läuft es noch besser. „Highway“, ein Duett mit Kollegin Katja Krasavice, schaffte es 2021 an die Spitze der deutschen Singlecharts; Elif war Coachin bei „The Voice of Germany“ und im vergangenen Frühling Teilnehmerin bei „Sing meinen Song“.

„2022 war das beste Jahr, das ich je hatte“, sagt sie. Auch persönlich habe sie sich weiterentwickelt, sei selbstbewusster, selbstreflektierter und widerstandsfähiger geworden. Der Schmerz sei für sie, die zeitweilig an Depressionen gelitten habe, auch ein Wachstumsschmerz gewesen. „Ein Leben ohne Schmerz ist nicht möglich“, weiß sie. Man könne sich gar darüber freuen, wenn es weh tut, denn dann fühle man, dass man lebt. Aber Elif ist auch überzeugt, dass den Schmerz nur erträgt, wer an die Hoffnung glaubt.

Elif reagiert mit Sport auf Durchhänger

Und auf Durchhänger antwortet sie heute mehr denn je mit einem ehrgeizigen Sportprogramm. Fünf Halbmarathons sei sie schon gelaufen, außerdem raucht sie nicht mehr, lässt den Alkohol weg. „Ich versuche, alles zu optimieren, was ich in meinen Zwanzigern habe schleifen lassen.“ Ende letzten Jahres ist sie 30 geworden. Stolz erzählt Elif, dass sie nun meist nicht mehr als Mädchen, sondern als erwachsene Frau wahrgenommen werde. „Meiner Jugend trauere ich nicht hinterher – ich habe sie ja erlebt und genossen.“

Elif: „Endlich tut es wieder weh“. Jive (Sony Music). Live: 28. April Dortmund, FZW; 30. April Köln, E-Werk.