Essen. „Ostfriesen-Gier“ ist Klaus-Peter Wolfs 17. Krimi um Kommissarin Ann Kathrin Klaasen. Er bietet Spannung mit Kuschelfaktor und Nordsee-Feeling.

Klaus-Peter Wolf wird wohl erst wieder aufhören mit seinen Ostfriesen-Krimis, wenn ihm die Hauptwörter für Titel-Kombinationen ausgehen, die bislang von „Killer“ bis „Sturm“ reichten. Nun ist die „Ostfriesen-Gier“ dazugekommen, und bevor jemand an „freien Strandgang“, Piraterie oder andere eigenwillige Auffassungen von Privateigentum denkt, sei klargestellt, dass das zu materialistisch gedacht wäre. Hier geht es um allzumenschliches Gefühlsleben: „Irgendwie war es die Nacht der knutschenden Liebespärchen. Die Nordseeluft machte etwas mit den Menschen. Je näher sie zum Deich kamen, umso mehr durchströmte sie die Gier des Lebens nach sich selbst.“

Oh-la-la, denkt man. Und ganz Norden träumt von der Liebe? Na ja, ganz Norden vielleicht nicht, sonst gäbe es ja keinen 17. Fall für Ann Kathrin Klaasen, Frank Weller und Rupert (Vorname: Hauptkommissar). Aber das Verbrechen lauert ja immer und überall, auch wenn man sich selbst nach mehr als einem Dutzend Ostfriesland-Krimis, drei separaten Rupert-Folgen und einer ebenfalls dreibändigen Dr.-Sommerfeldt-Seitenlinie immer noch nicht so recht an den Gedanken gewöhnen mag, dass die Mord-und-Totschlag-Rate von Leer bis Aurich noch die von New York oder Mexiko-City übertrifft. Sei’s drum, so funktionieren nun einmal die ganzen Ambiente- und Feelgood-Krimis von Münster bis Venedig und an die bretonische Küste: Nirgends wirkt der Einbruch des Verbrechens ungeheuerlicher als im Idyll von Urlaub und satter Bürgerlichkeit – und wird selbstverständlich umso mehr goutiert, je sicherer Recht und Ordnung am Ende wiederhergestellt sind.

Klaus-Peter Wolf bietet wie gehabt ein Kurzbad im Sadismus

In „Ostfriesen-Gier“ kombiniert KP Wolf einmal mehr Polizeikorruption durch strukturelle, organisierte Kriminalität mit blutrünstig brutalen Machos, denen das Verbrechen einfach im Blut zu liegen scheint. Der routinierte Drehbuchautor Wolf schreibt einmal mehr mordsspannend, auch wenn seine detailverliebten Szenen der Grausamkeit auf ein ausgeprägt sadistische Talente schließen lassen.

Dass die allwissende Erzählperspektive immer wieder zwischen Innen- und Außensicht schwankt, dass der Unterschied zwischen „scheinbar“ und „anscheinend“ aufgehoben ist und sprachlich nicht immer alles waagerecht, tut dem Erfolg ja offenbar keinen Abbruch. Und vielleicht hat dieser Erfolg mit kurzweiligem Zeitvertreib ja auch etwas mit der Anzahl der Regentage an der Nordsee zu tun.