Hysterie oder Kultur-Ereignis des Jahres. Unsere Einordnung der Hundekot-Attacke, mit der ein Ballett-Chef sich an einer Kritikerin rächte.

Diese Woche erlebt ein niedersächsisches Theater ungekannte Medienpräsenz – vom Boulevard bis zum Feuilleton. Schlagzeilen, haufenweise! Auch wir unterschlagen nicht die bizarre Geschichte des Künstlers Marco Goecke, der jeden Halt im Leben verloren zu haben scheint und meint, eine empfundene Kränkung in der Währung von Kot wechseln zu müssen.

Ist es Hype, ist es Hysterie, diesen unendlich tristen Auftritt zum Thema zu machen? Nein. Dass die Kulturnation, die wir immer noch sind, elektrisiert auf die Köttel-Attacke von Hannover schaut, ist ein gutes Zeichen: Denn genau das ist der Beweis für den Ausnahmecharakter jenes Racheaktes, wie ihn eine Schmierenkomödie nicht jämmerlicher hätte ausfantasieren können.

Den Alltag im Verhältnis von Kunstschaffenden und Kritikern spiegelt Goeckes irrer Auftritt ganz und gar nicht, auch keinen Trend, keine Abwärtsspirale. Dieser Alltag ist keine Boxbude, er ist bestenfalls ein lustvoller Zwist um das Beste für die Kultur. Und: nein, Kritik und Bühnen-Protagonisten sind kein Liebespaar und sollten unbedingt keines werden. Aber in dem, was man so schön „Bewaffneter Friede“ nennt, waltet in Deutschland vorwiegend Respekt und, wo nötig, ein offenes Wort. Nicht selten hilft es.

In Hannover hat am Montag ausgerechnet Dackel-Stuhl das Ende auf dem Direktoren-Stuhl seines Herrchens besiegelt. Eine Farce, nichts von Bestand.