Düsseldorf. Schnappschüsse in Öl: Der Kunstpalast in Düsseldorf zeigt in der neuen Ausstellung „Mehr Licht“ sehenswerte Ölstudien aus dem 19. Jahrhundert.
„Mehr Licht“, so geht ein alter Philologen-Scherz, hat der alte Goethe auf dem Sterbebett gar nicht gesagt – eigentlich wollte er auf gut Frankfurterisch knurren „Mer licht hier so schlescht“, kam aber nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden. Als Goethe 1832 starb, hatten die Maler allerdings schon längst mehr Licht hineingelassen – zumindest in ihre Ölstudien.
Wer dachte, die Impressionisten seien dank der Erfindung der Farbtube die ersten Freiluft-Maler („plein air“) gewesen, wird nun in Düsseldorf eines Besseren, ja eines Ansehnlicheren belehrt: Bereits Ende des 18. Jahrhunderts gingen zunächst französische Maler in Rom dazu über, mit Malkasten und Palette in die freie Natur zu ziehen und ihre Eindrücke von Licht und Landschaft auf Malpappe oder noch lieber auf Papier festzuhalten. Es musste schnell gehen, weil die aus den Gläsern im Malkasten entnommene Farbe ja nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf der Palette schnell eintrocknete. Zwei Jahrzehnte später zogen auch deutsche Maler ins Freie, um in Öl festzuhalten, was sie sahen – Johann Wilhelm Schirmer, der ab 1834 an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrte, machte Ölstudien sogar zum Teil seiner Ausbildung.
Florian Illies setzt dem Genre Ölstudie ein Denkmal
Von solchen „Schnappschüssen in Öl“ ist kaum jemand so begeistert wie der Autor, Kunsthändler und Kurator Florian Illies. Er hat nun diesem Genre mit der Ausstellung „Mehr Licht“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast ein Denkmal gesetzt, das so leicht und luftig ist wie die Ölstudien selbst.
Es beginnt mit den kühnen Wolkenstudien des Schweizer Landschaftsmalers Johann Jakob Frey, echten Feuerwerken des Augenblicks, mit Explosionen von Licht, Form und Farbe. Man muss nicht so weit gehen wie Illies, der da einen „Hauch von Moderne“ spürt. Allemal aber atmen diese Ölstudien eine ungeahnte Freiheit. Da gibt es Horizontlinien am unteren Bildrand. Oder eine Baumkrone ragt von dort so eben noch ins Himmelsbild hinein. Da lässt ein Carl Hummel frecherdings rechts und links und auch im Himmel Flächen unbemalt, weil er ganz fixiert ist auf die Art, wie das Sonnenlicht in einen Baum, auf seine Blätter fällt, sich spiegelt. Da blickt Johann Wilhelm Schirmer auf eine Bachschleuse und die Schilfblätter, den Wasserschierling davor, ein rheinischer Dschungel in dunklen Grüntönen. Schirmers Studie ging später als Detail in sein Atelier-Bild „Eine Waldgegend“ ein, das seine Karriere begründen sollte.
Genre verselbstständigte sich
Aber längst nicht immer dienten Ölstudien als Vorarbeit zu konventionellen Bildern. Das Genre verselbstständigte sich zusehends, wurde von den Malern auch als zweckfreie Feier des Augenblicks festgehalten, mit teilweise atemberaubend schönen Folgen wie bei den extrem flachen Holstein-Landschaften von Johann Wilhelm Cordes, den stellenweise fotorealistischen Esel-Studien von Wolfgang-Adam Töpffer oder den dunkel dräuenden Zypressen von Oswald Achenbach. Frederic Leightons „Terrasse auf der Insel Capri“ ist in Präzision, Lebendigkeit und südlicher Sonnenatmosphäre noch einmal eine Klasse für sich.
Die in Düsseldorf gezeigten Ölstudien sind mit großer Kennerschaft ausgesucht, oft stammen die Leihgaben aus kleineren Museen oder Privatsammlungen, sofern es sich nicht um Maler der Düsseldorfer Schule handelt, die ja in der Sammlung des Kunstpalasts reich vertreten sind. Mit Carl Blechen, Carl Gustav Carus oder Johan Clausen Dahl sind bekannte Romantiker vertreten, zwei kleine Gemälde von Caspar David Friedrich, der fast nie Ölstudien anfertigte, dienen eher der Abgrenzung.
Ölstudien waren frei vom Druck des Kunstmarkts
Aber oft wurden Ölstudien weder einer Datierung für wert befunden noch einer Signatur. Sie waren unverkäuflich, also frei vom Druck des Kunstmarkts – und anfangs weniger eine „Befreiung der Natur“, wie der Untertitel der Ausstellung vollmundig suggeriert, sondern im Gang nach draußen, in die Natur, vor allem eine Befreiung von den repressiven Verhältnissen der Metternich-Zeit nach dem Wiener Kongress.
Die Kapitel der Ausstellung, die auch den verstellten Blick, Einblicke in Höhlen, Ausblicke aus Fenstern oder schlechtes Wetter und „den Zauber der Farbe Grau“ bieten, fügen sich zu einem Parcours der Leichtigkeit mit augenöffnenden Einsichten.
Zur Ausstellung
„Mehr Licht. Die Befreiung der Natur. Die Kunst der Ölstudien im 19. Jahrhundert“. Museum Kunstpalast Düsseldorf, Ehrenhof 4-5. Bis 7. Mai. Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Eintritt: zehn Euro, erm. acht Euro. Ab 22. Februar zwölf Euro/zehn Euro. Karten: www.kunstpalast.de Audioguide: drei Euro. Katalog (Sandstein Verlag): 36 Euro.