Oberhausen. Zweieinhalb Theaterstunden, die wie im Flug vergehen: In Oberhausen zeigt Intendantin Mädler eine andere Sicht auf Leni Riefenstahl.

„Ah, Sie interessieren sich nicht für Politik.“ Überrascht nimmt Adolf Hitler die Aussage Leni Riefenstahls (Ronja Oppelt), die 30 Jahre alt ist und deshalb „Leni-M“ heißt, zur Kenntnis. „Cut“, ruft die 85-jährige Regisseurin, kurz Leni85 (Anke Fonferek), und heischt Aufmerksamkeit. Habt Ihr das alle gehört –ich war unpolitisch! „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl (inszeniert von ihr selbst)“ nennt John von Düffel sein neues Stück, das unter Leitung von Intendantin Kathrin Mädler am Theater Oberhausen uraufgeführt wurde.

Die Regisseurin (1902-2003), die für viele Filmschaffende bis heute wegen ihrer Kreativität und innovativen Ästhetik als bedeutendste Filmemacherin des 20. Jahrhunderts gilt und die andererseits wegen ihrer Nähe zum NS-Regime in ständiger Kritik steht, arbeitet Ende der 80er Jahre in einem Filmstudio an der ultimativen Selbst-Exkulpation. Sie ruft ihre jüngeren Egos – Leni-M und die ganz junge Leni (Maria Lehberg) – ins Scheinwerferlicht, lässt sie ihre „wahren“ Geschehnisse der Jahre 1932-1945 nachspielen. Wir erfahren von ihrer Kontaktaufnahme mit Hitler, der sie (als Mensch, als visionäre Persönlichkeit) fasziniert hat. Wir werden Zeuge der ersten Begegnung, bei der sich Hitler als ihr größter Verehrer outet, seit er ihren Tanz im Film „Das blaue Licht“ gesehen hat. Wir begegnen Joseph Goebbels, erleben das Zustandekommen propagandistischer Reichsparteitagsfilme („Triumph des Willens“) oder der ästhetisierenden Olympia-Filme („Fest der Schönheit“).

Oberhausen: Premiere für „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl (inszeniert von ihr selbst)“

John von Düffel zitiert viel aus den Memoiren Riefenstahls, doch mit der möglichen Ausdeutung ist Leni85 nicht immer einverstanden. „So war das nicht“, fährt sie dann dazwischen. Wenn etwa in Mädlers lange Zeit zu lauter, als unterhaltsame Satire im Stil der TV-Serie „Sketch History“ daherkommender Inszenierung Hitler oder Goebbels das Sexobjekt Riefenstahl auf allen Vieren belauern und ansabbern wie notgeile Hunde.

Kathrin Mädlers Inszenierung beginnt zu laut. Nach der Pause wird es eindringlicher

Nach der Pause, wenn andere Akzente gesetzt werden, ändert sich der Duktus. Nun geht es, eindringlicher ins Bild gesetzt, vornehmlich um die 2021 verstorbene Regisseurin und Autorin Nina Gladitz, die 40 Jahre ihres Lebens damit verbrachte, am Beispiel des Filmes „Tiefland“ mit den als Komparsen verpflichteten, schließlich in Auschwitz landenden Sinti und Roma eine viel tiefere Verstrickung Riefenstahls in die Gräueltaten des Regimes nachzuweisen. Doch dann hören wir zwischendurch den befremdlichen Originaltext der Feminismus-Ikone Alice Schwarzer, die die frauenfeindliche Hexenjagd auf Leni Riefenstahl anprangert. Weil eine Frau nun mal nicht vorgehen und erfolgreich sein darf wie ein Mann, der längst Absolution erfahren hätte. Die zweieinhalb Stunden vergehen im Fluge, doch hinter dem verständlichen Beifall bleibt die Frage, was John von Düffel eigentlich konkret aussagen will.

Termine: 17.3. (19.30 Uhr): 19.3. (18 Uhr). Tel. 0208-8578184