Essen. Welche Oma verschreckt man noch mit blauen Haaren? Ist der Punk noch mehr als ein Musikstil. Ingo Knollmann von den „Donots“ antwortet.

Die „Donots“ werden 30. Seit 1993 spielen die Westfalen knackigen Pop-Punk und Rockhymnen mit Texten, die sich kritisch mit diesem Land auseinandersetzen. Frontmann Ingo Knollmann war noch nicht mal volljährig, als das Debütalbum erschien. Auch beim neuen Werk „Heut ist ein guter Tag“ wollen die „Donots“ Anspruchsvolles massentauglich machen. Mit Knollmann sprach Olaf Neumann.

Herr Knollmann, ist Punk heute wirklich noch mehr als ein Musikstil?

Knollmann: Punk ist schon mehr, hat aber längst nicht mehr den Schockeffekt, den er in den 1970ern und 80ern noch hatte. Das muss er auch gar nicht, weil die Gesellschaft einem Wandel unterworfen ist. Zum Beispiel gehört es heutzutage zum guten Ton, tätowiert zu sein. Mit bunten Haaren erschreckst du auch keine Oma mehr. Aber die Inhalte des Punk haben weiterhin Bestand. Du kannst entweder destruktiv unterwegs sein oder Punk als Auffangbecken betrachten für Leute, die nicht überall hineinpassen. Etwas kaputt zu machen, heißt auch, etwas Besseres aufzubauen. Diesen Gedanken finde ich immer noch romantisch.

Wie entstehen Ihre Texte?

Wenn mir spontan eine Idee kommt, wird die erst einmal notiert. Das passiert mir oft abends in einer Kneipe beim Bier oder Rotwein. 98 Prozent davon ist mir am nächsten Morgen kreuzpeinlich, aber zwei Prozent kommen ins Töpfchen. Und wenn wir dann im Studio arbeiten, fange ich an, gute Refrainzeilen zu bauen aus dem, was ich bereits habe. Das Ergebnis ist eine Platte wie „Heut ist ein guter Tag“.

Apropos „guter Tag“: Fühlt unsere Gegenwart sich für Sie nicht an wie der Anfang vom Ende der Welt?

Ja total. Das konterkariert natürlich die Lebensfreude, die wir auf der Bühne ausstrahlen. Eigentlich bin ich eher auf der pessimistischen Seite geparkt, was die Menschheit angeht. Es werden die gleichen Fehler immer wieder gemacht, nur in einem neuen Gewand. Wer hätte gedacht, dass auf einmal der Kalte Krieg wiederkommt. Pandemien wurden früher in Science-Fiction-Filmen thematisiert. Und jetzt leben wir in solch einer Situation. Hier in Köln fährt man an etlichen verlassenen Teststationen vorbei. Das hat etwas Postapokalyptisches: Die erste Zombie-Invasion liegt hinter uns, mal schauen, was gleich noch passiert. Das ist besorgniserregend und traurig bei den ganzen Opfern, die es momentan gibt.

Das Album beginnt mit den Worten: „Das ist der Weltuntergang“ – aus einem Kindermund. Wie sehen Sie diese Welt als Vater?

Früher dachte ich, ich möchte keine Kinder in diese Welt setzen. Aber heute kann ich sagen, dass Vater zu werden das Beste ist, was mir jemals passiert ist. Wir brauchen mehr gute Menschen auf der Welt, wir können das Fortpflanzen ja nicht den ganzen Arschgeigen überlassen. Wenn unser Beitrag ist, eine gute Erziehung weiterzugeben, dann ist das das Rüstzeug für eine bessere Welt. Das klingt jetzt sehr kitschig, aber so ist es ja wirklich. Der wichtigste Tag ist immer heute und die wichtigsten Personen die guten Menschen, mit denen man sich umgibt.

Verstehen Sie sich als Protestband?

Wenn wir schon eine gewisse Reichweite haben und ein gewissen Publikum ansprechen können, vor allem Kids, wenn wir schon eine Gatewayband sind, um in eine Subkultur einzusteigen, will ich auch mein Pulver nicht verschießen mit irgendwelchen Happy-Go-Lucky-Songs. Dann möchte ich keine Lieder à la Blink182 schreiben, die vom Masturbieren handeln. Das wäre mir zu eindimensional. Ich weiß, dass es das auch geben muss, man nennt es Eskapismus. Aber wir wollen ein kleines bisschen mehr tun.

Was sollten wir jetzt tun, um unser Leben besser zu machen?

Vielleicht innehalten und fragen: Wie würde ich gerne selbst behandelt werden von Menschen? Oder auch von Tieren, wenn es da ein Zusammenleben gäbe. Möchte ich mich auf ein Jenseits verlassen und mich im Diesseits dementsprechend wie Kalle Arsch benehmen?