Essen. Friedrich Dönhoff porträtiert Marius Müller-Westernhagen mit vielen Geschichten aus der Kindheit in Düsseldorf. Aber man merkt: Ein Auftragswerk
Erst ganz zum Schluss, auf den letzten Seiten dieses Buchs, erfährt man, dass der amtierende Diogenes-Verleger Philipp Keel seit zwei Jahrzehnten mit Marius Müller-Westernhagen befreundet ist und dieses 240-Seiten-„Porträt“ bei seinem Autor Philipp Dönhoff bestellt hat. Aber man hätte sich längst denken können, dass es ein Auftragswerk ist, denn es liest sich genau so. Dönhoff ist so begeistert von Marius Müller-Westernhagen wie dieser; kritische oder wenigstens mal skeptische Perspektiven auf das Leben, das Verhalten, die Musik des Helden stellen sich nur dann ein, wenn er selbst sie vorgibt.
Abwechslungsreich und unterhaltsam liest es sich allemal, wenn Dönhoff die eher intensiven Rückblicke auf die Jugend und die Frühzeit seines Helden wie ein Filmregisseur gegenschneidet mit Eindrücken von den aktuellen Interview-Besuchen bei dem Popstar und seiner zweiten Angetrauten Lindiwe Suttle Müller-Westernhagen in der neuen Wohnung in Charlottenburg („In Mitte war mir und meiner Frau zu viel Trubel“).
Marius Müller-Westernhagen in der D-Jugend der Fortuna und bei Heimspielen der DEG
Von dort aus tauchen wir noch einmal ein in eine Kindheit im linksrheinischen Düsseldorf Heerdt, erleben den begeisterten D-Jungend-Spieler der Fortuna, den DEG-Fan im Stadion an der Brehmstraße, dem eine Welt aufgeht, als er in den 60er-Jahren erst die Beatles und dann die Stones für sich entdeckt.
Der tragische Held dieser Zeit aber ist MWWs Vater Hans, Schauspieler an den Städtischen Bühnen, dem heutigen Schauspielhaus. Der Kriegsteilnehmer, der sich weigerte, seinem Chef und Freund Gustaf Gründgens ans Hamburger Schauspielhaus zu folgen, bekämpfte seine häufigen Depressionen mit Alkohol. Nahm aber auch seinen Marius in der achten Klasse vom Humboldt-Gymnasium, als er erfuhr, dass der Junge dort geschlagen wurde. Er vermittelte seinem frühbegabten Sohn die erste Fernsehrolle, an der Seite der großen Ida Ehre. Doch kurz darauf stirbt Hans Müller-Westernhagen, nicht mal 45 Jahre alt, und vom Krankenbett in der Klinik schickt er noch ein Telegramm „Demut und Bescheidenheit. Dein Vater“.
„Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ bringt den Durchbruch
Die Hörspiel-, Film- und Fernsehkarriere von Marius aber entwickelt sich weiter, und der übernimmt nebenbei eine Rockband, die nur Coverversionen spielt. Anfang der 70er-Jahre, als Westernhagen längst in Hamburg wohnt, wird er nach dem Erfolg seines Freundes Udo Lindenberg (der den Nichtschwimmer Marius lässig-großmäulig über die Alster rudert) zur Deutschrock-Hoffnung seiner Plattenfirma; doch erst das vierte Album „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ bringt 1978 den Durchbruch, auch musikalisch. Es ist produziert von Lothar Meid und nicht so jazz-orientiert wie die drei Vorgänger. Kurz darauf wird Westernhagen bei seiner ersten Konzerttournee gefeiert. 1987 läuft sein letzter Film, in den 90ern wird er zur Galionsfigur für Stadiontourneen. Aber die im Sommer 1999 sollte seine letzte bleiben, MWW wollte nicht zum alternden Popstar werden, sondern Künstler sein.
Das alles lesen wir mal in Dialogform, mal erzählt Dönhoff als Stimme seines Herrn. Kritische Nachfragen zu hohen Konzertkartenpreisen, zur Freundschaft mit Gerhard Schröder oder auch zu Demut und Bescheidenheit? Fehlanzeige. Ärgerliche Fehler gibt es zudem, so ist der Musik-Mogul Nesuhi Ertegün falsch geschrieben, und die Einschätzung, dass es nach den Beatles „keinem Künstler je wieder glücken werde“, die ersten fünf Plätze der Billboard Charts zu belegen, hat Taylor Swift schon vor drei Monaten zu Geschwätz zerlegt, indem sie die ersten zehn Plätze belegte.
Aber echte Fans von Marius Müller-Westernhagen werden wahrscheinlich auch das verzeihen, für sie ist das Buch ein gefälliger Lesestoff.