Essen. Ein Weltstar, blank poliert: Mit „I Wanna Dance With Somebody“ kommt jetzt der erste Spielfilm über die Pop-Diva Whitney Houston in die Kinos.

Dass Ruhm und Absturz nah beieinanderliegen, hat sich im Rock- und Pop-Geschäft oft gezeigt. Janis Joplin, Jim Morrison und Amy Winehouse sind Beispiele, ebenso Elvis Presley, Ike Turner und Michael Jackson. Drogen jeglicher Art spielten bei ihrem frühen Tod eine Rolle, Begleiter eines dauerhaften Karrieredrucks, eines öffentlichen Lebens. Auch Whitney Houston zählt dazu. Im Februar 2012 ertrank sie mit 49 Jahren in Beverly Hills unter dem Einfluss von Kokain in ihrer Badewanne. Der Superstar der 80er- und 90er-Jahre hatte den Kampf gegen ihre Dämonen verloren. Zwei Dokumentarfilme sind über ihr Leben erschienen, jetzt kommt der erste Spielfilm in die Kinos. „I Wanna Dance With Somebody“ versucht, sich dem unnahbaren Star keimfrei zu nähern – und scheitert letztlich daran.

Dabei hat die US-amerikanische Filmemacherin Kasi Lemmons („Talk to Me“, „Harriet – der Weg in die Freiheit“) eine Menge über Whitney Houston zu erzählen. Da sind erste Erfahrungen im Kirchenchor beim Gospel und als Backgroundsängerin ihrer Mutter – dann der Blitzstart in die amerikanischen Charts nach ihrem Debüt „Whitney Houston“. 1985 war das und bescherte der Newcomerin sieben Nummer-eins-Hits in Folge, womit sie die Beatles übertraf. Bis heute zählt die Pop- und R’n’B-Diva, deren Stimme über drei Oktaven reichte, mit mehr als 200 Millionen verkauften Alben und über 400 Auszeichnungen zu den erfolgreichsten Sängerinnen weltweit.

Es geht um das Verhältnis zu Vater und Mutter

Lemmons widmet sich all’ dem ausführlich. Dabei stellt sie Weggefährten wie Freundin und Partnerin Robyn Crawford (Nafessa Williams) in den Mittelpunkt, die Whitney Houstons halbes Leben begleitet hat, ohne dass diese sich je öffentlich zu ihr bekannte; im Film erlebt man die Zwei, wie sie sich als junge Frauen ineinander verlieben. Clive Davis, Boss der Plattenfirma „Arista“ (Stanley Tucci) wird zum Manager und väterlichen Freund der damals 20-jährigen Popsängerin. Es geht um das Verhältnis zum Vater, der ein zweifelhafter Geschäftsführer ist (Clarke Peters) und zu ihrer liebevollen, ehrgeizigen Mutter, der Gospelsängerin Cissy Houston (Tamara Tunie). Und natürlich geht es um den R’n’B-Star Bobby Brown (Ashton Sanders), den die junge Whitney bei einer Preisverleihung kennenlernt, den sie heiratet – und der sie ordentlich verprügelt haben soll.

In diesem Film aber gibt es keine Prügel. Es gibt eigentlich überhaupt keine unschönen Dinge. Der Drogenmissbrauch spielt kaum eine Rolle, hier wendet sich die Kamera schamhaft ab. Selbst der schmerzvolle Niedergang der Pop-Ikone kommt wie weichgespült daher.

Lobeshymne im Turbogang

Der Absturz der echten Whitney Houston begann in den späten 90er-Jahren. Zeitungen berichteten über Drogen- und Alkoholkonsum, es gab Entzugstherapien und Rückfälle. Touren wurden abgebrochen. Ihre Stimme wollte nicht mehr funktionieren. „Ich bin entweder mein bester Freund oder mein schlimmster Feind“, sagte sie einmal in einem Interview.

In Kasi Lemmons’ Geschichte werden innere Kämpfe wie diese nur angedeutet. Abgründe sucht man vergebens. Stattdessen ist eine ausgedehnte Lobeshymne entstanden. In atemlosem Tempo kommt das alles über uns, versehen mit jeder Menge unvergessener Songs vom titelgebenden „I Wanna Dance With Somebody“, damals ein Mega-Hit, über das tränenschöne „I Will Always Love You“ bis zum getragenen „Greatest Love Of All“. Höhepunkt ist der Auftritt bei den American Music Awards 1994. Whitney in Glitzerkleidern. Whitney mit Kevin Costner im Spielfilm „Bodyguard“. Whitney im Jogginganzug, wie sie im Jahr 1991 beim Superbowl mit der Nationalhymne die USA zu Tränen rührt. Whitney, blank poliert.

Keine authentische Lebensgeschichte

Und so ist dies ein filmisches Denkmal, aber keine authentische Lebensgeschichte. Und daran kann auch die durchaus sehenswerte Hauptdarstellerin Naomi Ackie („Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“) als „Nippy“ nichts ändern. Ihre Whitney ist ein ewig junges Mädchen, im Gedächtnis bleibt jedoch vor allem ein trauriger Blick aus großen Augen. Ja, selbst die Maske verbeugt sich vor der schönen Diva. Nur ganz am Schluss ist ihr Gesicht von Drogen, Alkohol und Tabletten gezeichnet, wenn auch nicht sehr.

Und so sitzt man am Ende ratlos da. Immerhin fast 150 Minuten dauert das Biopic und bringt uns seine Heldin dennoch nicht näher. Ihre Seele bleibt meilenweit entfernt.