Essen. Wenn eine Hippie-Frau Countrymusik macht – muss das klingen wie bei Lainey Wilson. Eine erfrischende Kombination.

Wenn eine Künstlerin für sechs Country Music Awards nominiert wird, darf man ja eigentlich davon ausgehen, dass sie mindestens in Nashville lebt, dauernd Cowboyhut trägt und auf einem Ross reitend fürs Coverfoto posiert.

Bei Lainey Wilson ist das anders. Die 30-Jährige, die einst in Louisiana auf die Welt kam, lebt zwar tatsächlich in der Countrymusikhauptstadt in Tennessee, sie trägt für ihr neues Album „Bell Bottom Country“ (BBR Music Group / Warner) auch tatsächlich Hut – aber eher einen aus der Hippie-Zeit, und der Schlag ihrer dazu ausgewählten Hose samt Satinjacke passt ebenfalls eher in die wilden 1960er- und 1970er-Jahre.

So wie die Musik.

14 neue Lieder stehen zur Auswahl, und sie bieten, das sei vorweg gesagt, gute Unterhaltung auch für den weniger der Countrymusik zugeneigten Hörer, einen robusten Vortrag und eine jugendliche Wildheit, die einfach Vergnügen bereitet.

Lainey Wilson garniert ihre Musik sogar mit funkigen Elementen.
Lainey Wilson garniert ihre Musik sogar mit funkigen Elementen. © Getty Images for BMG/BBR Music Group | Terry Wyatt

Wilson ist an sich mit einer höchst angenehmen Stimmfärbung gesegnet, die allerdings ein bisschen gepresst wirkt, wenn’s steil nach oben geht – man gewöhnt sich dran, denn ansonsten singt sie einfach klasse und sehr geschmeidig. Zudem passt das gut zu der Musik, die zwar eine klare Anlehnung an Country(rock) hat, aber auch völlig andere Einflüsse elegant integriert.

„Grease“ beispielsweise ist eine dieser ungewöhnlichen und coolen Nummern. Darin vereint Wilsons Truppe Countrystyle mit funkigen Groove-Elementen und garniert das Ganze auch noch mit einem superben Gitarrensolo. Hat man so noch nicht oft gehört.

Energiegeladene Meute

Der Albumstarter „Hillbilly Hippie“ ist textlich quasi programmatisch und legt musikalisch die Messlatte schon hoch – als ob ein junges Pferd auf die Weide gelassen wird, tobt Wilsons Meute los, energiegeladen, wild, aber auch geschickte Hooks einbauend, die so ein bisschen an Sheryl Crows „Soak Up The Sun“ erinnern. „This One’s Gonna Cost Me“ ist sogar ein countryfreies Rockbrett.

Aber Wilson kann’s eben auch ziemlich traditionell, wie man dem fröhlich trabenden „Those Boots (Deddy’s Song)“ oder der feinen Ballade „Watermelon Moonshine“ entnehmen kann.