Herne. Die Skala aller Gefühle: In Herne starten die Tage Alter Musik mit namhaften Ensembles. Die Festival-Macher fächern eine enorme Bandbreite auf.

Angesichts des 46. Jahrgangs darf man Herne auch mal auf die Schulter klopfen. Die Stadt war einst ein kultureller Trendsetter. Hier, bei den „Tagen Alter Musik“, waren Darmsaite und Dulzian ja schon gerngesehene Gäste, als man rundherum die Originalklangbewegung noch mit recht spitzen Fingern anfasste. Man vergisst das leicht heute, da selbst städtische Sinfonieorchester historisch informiert auf die Pauke hauen.

In der nächsten Woche geht das Festival über mehrere Bühnen der Stadt. Das 2022er-Motto beliebig zu nennen, wäre unfair, weil die Gegensätze „Tragisch – Komisch“ ja nun wirklich der Musik an der Wiege gesungen waren. Mysterienspiel und vagabundierende Musikanten waren Zeitgenossen, die Verfeinerung der Künste verschwisterte das Begriffspaar mit gutem Grund.

„Emotionen und Befindlichkeiten in der Musik vom Mittelalter bis zur Moderne“

Untertitel: „Emotionen und Befindlichkeiten in der Musik vom Mittelalter bis zur Moderne.“ Befindlichkeit – ein schönes Wort. In Herne jedenfalls befindet sich das Publikum in den schwierigen Zeiten fürs Musikleben, die der langen Pandemie-Pause geschuldet sind, in einer überaus angenehmen Lage.

Wieder fächern die Festival-Macher eine imposante Bandbreite auf, wieder sind Ensembles von nationalem bis internationalem Rang zu Gast, wieder hat Intimes Raum neben der großen Anstrengung namens Oper. Als da etwa Haydns durchaus augenzwinkernd auf die antike Götterwelt blickende „La fedeltá premiata“ (13. November, Kulturzentrum) wäre; schöner Arbeitstitel des Festivals: „Götterfluch und Liebesspiel“. Wie lange vor Wagner in Bayreuth Musiktheater entstand, dokumentiert „L’huomo“, eine von Andrea Bernasconi komponierte „festa teatrale“ fürs Markgräfliche Opernhaus. Markgräfin Wilhelmine steuerte die Textvorlage bei: Liebeswirren noch und nöcher. Am 12. November im Kulturzentrum, mit dem begnadeten Sopranisten (und Arzt!) Philipp Mathmann.

Tränen, Melancholie und Unfug

Gefühle als Spektrum: Das kann „Tränen gelacht“ bedeuten (das 17. Jahrhundert zwischen Italien und Wien; Kreuzkirche, 11.11.), aber auch „Schluss mit lustig“ (Komik und Moral in der Sakralmusik; Kreuzkirche 12.11.), während bei „Melancholie und Unfug“ (13.11.) Madrigale für jede Stimmungslage erklingen. Insgesamt wartet fast ein Dutzend Konzerte vier Tage lang auf neugierige Ohren. Und wer nicht anreisen kann: Der mitveranstaltende WDR strahlt alle Beiträge zeitversetzt aus.

10.-13. November an verschiedenen Herner Spielstätten. Komplettes Programm, Karten-Info, Sendedaten etc. unter www.tage-alter-musik.de