Köln. Kendrick Lamar ist erfolgreich und politisch korrekt. Ideal, um die ausverkaufte Köln-Arena zu begeistern. Doch der Auftritt wirft Fragen auf.
Ein Rap-Konzert ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Es ist weniger ein Konzert als ein Schauspiel. Das war auch am Sonntagabend in der Köln-Arena zu bestaunen, als der Großmeister dieses Schauspiels,l Kendrick Lamar, sich die Ehre gab. Der Mann, 35 mittlerweile, hat Grammys im Dutzend gesammelt, den Pulitzer-Preis für seine Texte bekommen und gilt als die politisch korrekte Stimme des schwarzen Amerikas – und wird dementsprechend gefeiert. Auch in Köln in ausverkaufter Halle.
Es gibt beispielsweise keine Musiker – außer links von der Bühne, wo immerhin jemand ab und an ein Drum-Pad, ein Keyboard oder einen zusätzlichen Bass im ohnehin sehr basslastigen Sound beisteuert. Der Rest wird eingespielt. Der Nachteil: Lamar kann nicht improvisieren, kaum auf das Publikum eingehen. Jeder Song wird zu einem kleinen Drama. Dann Dunkelheit, Pause, Vorhang, Nächster Akt.
Der Vorteil ist: Es braucht auch kein Mischpult mitten in der Halle, also gibt es dort einen 50 Meter langen Laufsteg. Lamar gewinnt also an Bewegungsfreiheit und nutzt sie. Doch zunächst, zum Start, läuft da ein Elferrat an Tänzerinnen (vier schwarze Frauen ganz in Weiß und sieben Männern - the Big Steppers halt), dann hebt sich der weiße Vorhang rund um den großen Kubus, der Bühne bildet und gibt den Blick frei auf ein Piano und eine Bettstatt.
Keine Band aber ein Elferrat an Tänzerinnen und Tänzern
Was folgt, ist ein mehr als anderthalbstündiger Dauerlauf durch Leben und Werk von Kendrick Lamar, mit dem Schwerpunkt auf sein jüngstes Album „The Big Stepper“. Etliche Tracks sind leicht gekürzt, so passt noch mehr rein, wo vielleicht auch weniger noch mehr gewesen wäre, wenn man an seine großartige Show vor viereinhalb Jahren an gleicher Stelle denkt.
2018 noch wirklich solo auf der großen Bühne gibt es jetzt mehr Tänzer, mehr Inszenierung, noch mehr Hubpodien, Nebel und Feuerwerk und noch mehr Hits. Und was damals wie Elemente eines Gospelgottesdienstes mit Predigt und Wechselgesang wirkte, ist jetzt eine große Party: Alle gröhlen mit, alle filmen mit (was das Bilderverbot für Profifotografen noch absurder erscheinen lässt).
Es ist zu befürchten, dass er der Logik des „Größer, Schneller, Weiter“ nicht entkommt und so ganz allmählich sich seine Konzerte nach bekanntem Muster zum Musical über den Künstler C oder die Band A entwickeln. Mehr Show als Message also. Eine Show, die in manchen Elementen nur haarscharf an unfreiwilliger Komik vorbeischrammt, als er direkt zu Beginn mit einer Sprechpuppe ans Mikro tritt oder sich zwischendurch in einer Art Thronsessel niederlässt wie ein Märchenonkel.
Und als ihn, etwa in der Mitte des Konzert, politisch wiederum sehr korrekt, eine Frau im weißen Kleid sanft den Srm um die Schultern legt als müsse sie ihn stützen und schützen beim Liedvortrag, erinnert das schwarz-weiß gekleidete Paar irgendwie an die Figuren aus den Schwarzwalduhren aus den 70ern. Gut, dass in diesem Publikum 99 Prozent der Menschen altersbedingt von solchen Assoziationen verschont bleiben.
Da kann man besser gemeinsam die Anflüge von Selbstironie des großen Meisters genießen, der sich auf der Bühne in der Nase bohren lässt: „Mr Lamar, gestatten Sie einen Covid-Test?“ Für eine Schnelltestlänge singt er, umgeben von vier Männern in Schutzanzügen, in einem Plastikfolienkäfig unter dem Hallendach die nächste Nummer: “Alright“. Kurz vor Schluss, ehe er seine beiden Vor-Acts Baby Keem und Tanna Leone noch einmal auf die Bühne kommen und mit ihm gemeinsam performen, setzt er sich noch einmal ans Klavier und spielt „Crown“. Und plötzlich klingt es doch einmal fast wie ein Konzert.