Essen. Für eine Doku spielten ZZ Top ihre Klassiker neu ein. „Raw“ ist aber auch die letzte Arbeit des inzwischen verstorbenen Dusty Hill.
Das englische Wort „Raw“ lässt sich wohl am besten mit „raue Herangehensweise“ übersetzen. Die Recken von ZZ Top haben da einen wirklich passenden Namen gefunden für ihr neues, bei BMG erschienenes Album.
Eingespielt haben sie es an einem einzigen Tag. Versehen ist es mit allen ungeschliffenen Ecken und Kanten, aber auch grandiosen Momenten, die so eine jammende Arbeitsweise mit sich bringt – und nicht zuletzt ist diese Produktion wichtig, weil sie die letzte Arbeit des vor rund einem Jahr verstorbenen legendären Bassisten Dusty Hill ist.
Dass sich die „little ol’ Band from Texas“ überhaupt mal wieder ins Studio begab, hängt zusammen mit einer Netflix-Dokumentation über die drei knorrigen Bluesrocker. Produziert wurde das Album vom Frontmann Billy F. Gibbons mit dem Plan höchster Schnörkellosigkeit; eine „absolut ehrliche Rückkehr zu unseren Wurzeln“ sollte es werden. Und das hört man.
Das Brummen der Verstärker
Der Sound ist schön erdig und dicht. Die Verstärker brummen munter drauf los, die wunderbar breitbeinig musizierenden Bärte brabbeln vor Beginn immer mal wieder lustiges Zeug daher, echte Live-Atmosphäre, man ist richtig nah dran an einer unfassbar gut eingespielten Kapelle.
Weil es der Soundtrack für eine Doku ist, geriet das Ganze allerdings eher zu einem Best-Of-Album, bei dem alle Titel neu eingespielt wurden. Der berühmte Boogie „La Grange“ pflügt beispielsweise gewohnt stoisch wie eine Harley Davidson durch die texanische Wüste. Gibbons legt dazu ein Solo hin, das nicht ganz an die inzwischen auch knapp 50 Jahre alte Plattenaufnahme rankommt, aber immer noch seine gute Form beim Ritt über die Saiten belegt. Natürlich darf auch „Tush“ nicht im Katalog der zwölf enthaltenen Lieder fehlen. Bei dieser Neuinterpretation spielt Gibbons einige ganz frische Riffs rein – für den ambitionierten Gitarrendilettanten im Detail ziemlich interessant. Zudem ist der Schluss höchst brachial gestaltet. Das Slidegitarrensolo ist dann allerdings wieder nah an der bekannten Aufnahme.
Mit Rumpelschluss
„Brown Sugar“ vom weitgehend unbeachtet gebliebenen ZZ Top-Debütalbum aus dem Jahr 1971 eröffnet den Reigen, bei dem durchaus einige weitere weniger bekannte Nummern zu Ehren kommen wie „I’m Bad, I’m Nationwide“. Aber es sind auch die Klassiker dabei. Sehr lässig kommt „Gimme All Your Lovin’“ (mit ausgedehntem Solo voller Obertonspielereien und rumpelndem Finale) daher, und „Just Got Paid“ verpassten die Herrschaften einen ausgesprochen drolligen Bluesmucker-Schluss.