Hagen. „Scheinheilig und machtgierig“: Die Krise in der katholischen Kirche bewegt viele Menschen. So ist die Stimmungslage.
Die Krise der katholischen Kirche ist für viele Leserinnen und Leser ein Thema, das sie sehr bewegt. Entsprechend zahlreich sind die Reaktionen auf unsere Freitagskolumne „Kultiviert“, die von der Müdigkeit angesichts der Erkenntnis handelte, dass die Kirche es nicht will oder schafft, Lehren aus der Missbrauchskatastrophe zu ziehen. Obwohl immer neue und immer abscheulichere Verbrechen öffentlich werden, gelten die Missbrauchspriester weiter als Einzeltäter und diejenigen, die darüber berichten, gelten als Feinde der Kirche.
Viele Leser engagieren sich ehrenamtlich in der Kirche und sind inzwischen enttäuscht oder zermürbt. Ihre Meinungen sind so berührend und zu Herzen gehend, dass wir einige von ihnen vorstellen.
Gregor Schmitz aus Menden schreibt: „Ich würde Ihnen gerne Mut machen, mit langem Atem durchzuhalten („das weiche Wasser bricht den Stein“), aber ich halte diese katholische Amtskirche bis auf wenige Ausnahmen in den unteren Stufen der Hierarchie für so scheinheilig, machtgierig und narzisstisch, dass ich an wirkliche Reformen schon lange nicht mehr glauben kann. Und die Machtstrukturen im Vatikan werden unabhängig von der Haltung des Papstes Franziskus die erzkonservativen, selbst ernannten „Bewahrer“ des Glaubens blockieren. Ich (alter weißer Ex-Katholik) würde mich aber freuen, wenn Sie als Journalistin weiterhin diese Entwicklung kritisch kommentierend begleiten.“
Folgenlose Eingeständnisse
Antonius Fricke aus Menden-Lendringsen gehört zu den engagierten Christen. „Diese Kirche, der ich angehöre und in der ich als Laie immer aktiv war und bin, schafft zur Zeit ohne Reformen und ohne Selbstkritik und vor allem ohne harte Situationsanalyse sich selber ab. Auch päpstliche Schuldeingeständnisse sind ohne durchgreifende Veränderungen wenig oder nichts wert und vor allem folgenlos.“
Dr. Richard Siepe aus Eslohe kommentiert: „Natürlich verfolge ich mit ,Heißhunger‘ Ihre Artikel, insbesondere all das, was mit dem großen und ganz großen Fußvolk der Kirche zu tun hat. Ich möchte Sie darin bestärken, weiterhin mit unverwechselbarer Art ordentlich draufzuhauen. Es wird wenig nützen, aber vielleicht werden immer mehr Mitbürger beziehungsweise Mitchristen noch wacher und rebellischer. Es wäre für mich nie eine Option, auszutreten, aber vieles in dem Laden ist unerträglich.“
Wenig Unterstützung
Elisabeth Hoffmann-Weber aus Olsberg-Bruchhausen und ihr Mann engagieren sich an der Basis, in Wortgottesfeiern, Begräbnisdiensten und vor allem in der Notfallseelsorge. „Von den Klerikern, die uns als Konkurrenten sehen, bekommen wir keine Unterstützung. ,Ich bin der Herr der Altäre‘ oder ,Was ist dann meine Rolle‘ sind Aussagen dieser geweihten Herren. Solange es den kirchlichen Amtsträgern primär um Macht und Selbsterhalt geht, haben Jesus und die Frohe Botschaft wenig Chancen. Die Welt spielt verrückt, und die Kirche beschäftigt sich mit sich selbst.“
Die Leserinnen und Leser würdigen vor allem, dass die Zeitung ihrem journalistischen Auftrag nachkommt, die Vorgänge immer wieder zu benennen und kritisch zu hinterfragen. „Bitte seien sie nicht zu müde, weiter Tatsachen ans Licht zu bringen, die sonst am liebsten von gewissen Kreisen vertuscht und ignoriert werden“, wünschen sich Inge Schaffland aus Gevelsberg und Brigitte Grasse aus Schwelm. „Es ist unbequem und anstrengend, unpopuläre und, wie im Fall der katholischen Kirche, unsagbare Verhaltensweisen immer wieder zu veröffentlichen. Dazu gehören Kraft und Mut“, lobt Barbara Kremer. „Frau Willer hat das unsägliche Gebaren der katholischen Kirche auf den Punkt gebracht. Klasse“, bedankt sich Bernhard Ekrod. „Vielen Dank für Ihre immer offenen und ehrlichen Worte, die mir aus der Seele sprechen“, schreibt Hildegard Busch. „Sie haben mir und wahrscheinlich unzähligen Menschen wieder Worte gegeben, denen wir aus tiefster Seele zustimmen können. Möge Ihnen Gott weiter Mut und Kraft verleihen“, so Wolfgang Schirmer aus Hagen. Gerd Werner hat noch nie einen Leserbrief verfasst, bis jetzt: „Wie Sie berichten, bekommen Sie leider sehr viele bösartige Reaktionen auf Ihre so treffenden Artikel. Ich bitte Sie innigst, weiter und unverändert fortzufahren.“ Horst Wiesner liest in der Zeitung immer zuerst den Sportteil, ausgenommen Freitag, „da stürze ich mich neugierig auf eine Glosse von Frau Willer. Einfach herrlich, wie sie mit ihren Beiträgen eigentlich ernstzunehmende Themen humorvoll oder sarkastisch auf den Punkt bringt.“
Missbrauch unvorstellbar
Ein Leser aus dem Bistum Essen, der nicht namentlich genannt werden möchte, schildert seine Erfahrungen im Umgang mit einem Missbrauchsfall. „Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sich beispielsweise Geistliche an Schutzbefohlenen oder Minderjährigen ,vergreifen‘ konnten – und welch geringe Bereitschaft bestand, solche Vergehen nicht nur kirchenrechtlich, sondern auch strafrechtlich zu verfolgen. Alles bekanntlich nur im wohlverstandenen Sinne, den Ruf der Kirche wahren zu wollen. Obwohl ich in der Angelegenheit unmittelbaren Kontakt zu Ruhrbischof, Generalvikar und Personal-Dezernent hatte, deren ernsthaftes Bemühen ich keinesfalls in Zweifel ziehen möchte, stehen die Genannten in einem Umfeld, das nach wie vor geprägt ist, nachsichtig zu sein, was allzumenschlich ist. Aber so lässt sich das Vertrauen in Mutter Kirche und der anstrengende theologische Reform-Prozess keinesfalls erfolgreich gestalten.“
Bittere Enttäuschung
Ulla und Joachim Kersting aus Menden sind seit Jahrzehnten engagiert. Ulla Kersting leitet die Caritas-Konferenz in Halingen, Joachim Kersting ist als mittelständischer Unternehmer in der Kirche aktiv. Beide sind enttäuscht, auch darüber, wie Rom versucht, den Synodalen Weg zu behindern. Joachim Kersting hat deswegen an die Deutsche Bischofskonferenz geschrieben, um den Bischöfen Mut zu machen, und er hat den Brief auch an den Pastoralverbund Menden geschickt. Von der Bischofskonferenz kam eine Antwort. Vom Pastoralverbund nicht. „Nach Anforderung nur eine Empfangsbestätigung vom dortigen Sekretariat.“ Joachim Kersting weiter: „Bitte kämpfen Sie weiter, wie jene im gemeinen Fußvolk, das sich auf der Suche nach den zweifelsfrei in der Schrift vorhandenen Antworten auch auf aktuelle Fragen vom hierarchischen Pomp in Rom verlassen fühlen, sich „ihre“ Kirche aber auch nicht nehmen lassen wollen. Die Ecclesia Sancta gehört den Gläubigen, besonders denen, die nicht aufgeben und sich um eine zeitgemäße Auslegung der Frohen Botschaft bemühen und diese auch so glaubwürdig praktizieren.“