Mit dem Management des Antisemitismus-Verdachts war Sabine Schormann heillos überfordert. Der Skandal war vorhersehbar. Eine Analyse.
Man sollte, um der geschassten Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann gerecht zu werden, kurz daran erinnern, dass sie nicht als Antisemitismusbeauftragte eingestellt wurde, sondern weil die Documenta 14 mit einem Finanz-Debakel von 4,2 Millionen Euro Schulden zu Ende gegangen war. Das sollte sich nicht wiederholen. Mit dem Management des Antisemitismus-Verdachts war Sabine Schormann, die 2018 von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung nach Kassel wechselte, heillos überfordert.
Bei dem unseligen Aufbau der Documenta-Organisation klaffen weltweiter Geltungsanspruch hier und eine Beaufsichtigung durch die Stadt Kassel und das Land Hessen dort in etwa so sträflich auseinander, wie das Debakel jetzt groß ist.
Die Alarmsysteme waren frühzeitig scharfgestellt
Die unselige Verantwortungsdiffusion wurde bei der aktuellen Ausgabe der Documenta noch einmal um ein Vielfaches potenziert, weil für die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler ein Kollektiv angeheuert wurde, das wiederum weitere Kollektive mit der Produktion und Platzierung der Kunst vor Ort beauftragte.
Der „globale Süden“ sollte in den Fokus gerückt werden, und dass das Kunstfachleute aus jenem Indonesien tun durften, in dem 87 Prozent der Menschen Muslime sind und das Judentum nicht zu den fünf staatlich zugelassenen Religionen gehört, war Teil des Plans. Auch deshalb waren die Alarmsysteme bei jenen, die jüdische Interessen vertreten, frühzeitig scharfgestellt.
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Die seit Anfang des Jahres grassierenden Warnungen wurden auch von Kulturstaatsministerin Claudia Roth eher wegmoderiert als ernstgenommen. Dass eine ebenso klischeefreudige wie kunstarme, letztlich aber marginale Darstellung auf dem Polit-Banner der Gruppe Tarding Padi zum Auslöser des Skandals werden konnte, mag unverhältnismäßig erscheinen - aber was ist im Schatten des Menschheitsverbrechens der Deutschen an den Juden denn nicht unverhältnismäßig?
Das Aufspüren und Beseitigen möglicher Antisemitismen dauert zu lange
Der Skandal war absehbar. Der Skandal war zu befürchten, das Aufspüren und Beseitigen möglicher Antisemitismen dauert zu lange - die Documenta ist schon in der Halbzeit, und dass immer noch der Schatten des Skandals auf ihr liegt, ist ein Trauerspiel für die Kunst dort und ihre hehren Absichten.
Claudia Roth wiederum kann heilfroh sein über die unselige Verantwortungsdiffusion innerhalb der Documenta-Organisation. An der Staatsministerin liegt es nun, klare, sinnhafte Strukturen in der Hauptverantwortung des Bundes zu schaffen: Die Documenta ist ja, auch wenn sie zuletzt so auftrat, keine Provinzveranstaltung, sondern ein bundesdeutsches Aushängeschild mit Weltgeltung. Noch.