Emma Thompson im Bett mit Daryl McCormack: „Meine Stunden mit Leo“ ist ein Schauspiel-Duell. Weitere Neustarts: „Pornfluencer“ und „Eine Sekunde“

„Meine Stunden mit Leo“

Nancy ist Anfang 60, Lehrerin, zweifache Mutter, verwitwet und sie hatte noch nie einen Orgasmus. Das soll nun anders werden. Deswegen hat sie ein Date mit Callboy Leo Grand gebucht. Der ist charmant und jung genug, um ihr Sohn sein zu können, und er ist ein aufregend gut gebauter, mit allen Wassern gewaschener Sexprofi. Die komplett verunsicherte Nancy aber rührt ihn an.

Damit sind die Weichen gestellt für ein Schauspielduell zwischen Emma Thompson und dem „Peaky Blinders“-Akteur Daryl McCormack, die unter der Regie der Australierin Sophie Hyde (die auch Dokumentarfilme dreht) in ein präzise austariertes Gefühlsbad zwischen gebremster Heiterkeit und kontrolliert köchelnder Dramatik eintauchen.

Vier Episoden – drei im Hotelzimmer, die letzte in der Lobby – liefern den Kammerspiel-Rahmen für einen Pas de deux, der wie die Adaption eines Theaterstücks wirkt und die Ästhetik eines Fernsehspiels pflegt, was er als Produktion des Streaming-Dienstes Hulu ja auch ist. Die Dramaturgie strapaziert die Strategie des Redens um den heißen Brei mit so vielen kalkulierten Ablenkungen und Abzweigungen, dass man früher oder später die Protagonisten schütteln möchte, damit sie nun endlich das tun, worum es in der Inhaltsangabe geht. Daryl McCormacks smarte Unverbindlichkeit ist immerhin ein erholsamer Gegenpol zu Emma Thompson, die ihr Zwei-Ausdruck-Spiel zwischen ironischer Distanz und tiefer Erschütterung so versiert wie enervierend ausreizt.

Am Ende platzte wohl der Regie bei so viel verquasselter Erotik der Kragen; der Film endet in einem Finale bestürzend indiskreter Tatsachen. Eine moralische Bewertung von Sexarbeit bleibt übrigens aus. Aber wir haben dazugelernt: Konkupiszenz ist das theologische Wort für Wollust.

„Pornfluencer“

„Pornfluencer“, ein Dokumentarfilm von Joscha Bongart.
„Pornfluencer“, ein Dokumentarfilm von Joscha Bongart. © salzgeber

Ein junges Paar aus Deutschland will es möglichst schnell zur Euro-Million bringen und filmt sich selbst beim Sex: Mit seiner ersten programmfüllenden Filmarbeit packt Joscha Bongart ein heißes Eisen an, dem er nicht immer mit der für einen Dokumentarfilm nötigen kritischen Distanz gerecht wird. Was angesichts der Komplexität des Themas und der ständigen Gefahr, in Voyeurismus zu verfallen, verzeihlich ist. Dennoch wäre eine klare Positionierung des Filmemachers angesichts komplett unreflektierter Freiheitsgedanken und Reichtumsfantasien ebenso zu wünschen gewesen wie eine schärfere Durchleuchtung von Geschäftspraktiken im Internet. Das Pärchen lebt inzwischen auf Zypern, weil sich dort Steuern sparen lassen. Jeder ist sich selbst der nächste, auch in einer ökonomischen Zweierbeziehung.

„Eine Sekunde“

Etwas von der Rolle: „Eine Sekunde“.
Etwas von der Rolle: „Eine Sekunde“. © Mubi | Mubi

Im nordchinesischen Hinterland, wo der Wüstensand sich ständig in Kleidung und Haare schleicht, spielen ein namenloser Vagabund, eine junge Tagelöhnerin und ein wandernder Filmvorführer Katz und Maus um eine Rolle Film. Als die böse vom Staub verschmutzt wird, macht sich ein ganzes Dorf an die Reinigung des kostbaren Materials.

Cinema Paradiso aus der Volksrepublik China, inszeniert von Zhang Yimou, der sich vom nostalgischen Kunstfilm-Dramatiker („Rotes Kornfeld“, „Rote Laterne“) zum staatstragenden Nostalgiker („Hero“) wandelte und zuletzt die Zeremonien der olympischen Winterspiele in Peking inszenierte. Seine Ode ans Kino und an die Solidarität ist in wuchtige Landschaftspanoramen eingebunden, aber immer systemkonform.

„Die Ruhelosen“

Der Maler Damien rutscht in dem Film „Die Ruhelosen“ auch aufgrund des geschäftlichen Drucks, den ihm sein Galerist auferlegt, in eine schwere bipolare Störung. Seine Frau, die als Restauratorin arbeitet, und sein kleiner Sohn stehen dem manischen Schaffensdrang zusehends hilflos gegenüber. – Eine dramatische Zustandsbeschreibung des belgischen Filmautors Joachim Lafosse, deren Mangel an erzählerischer Entwicklung durch das intensive Spiel der Hauptdarsteller Damien Bonnard und Leila Bekhti in unvergesslicher Weise aufgefangen wird.