Essen. András Schiff war an Corona erkrankt, so wurde aus dem pianistischen „Gipfeltreffen“ in Essens Philharmonie ein Solo-Recital mit Evgeny Kissin.
Ein „Gipfel“ sollte es werden, wie ihn das Klavier-Festival Ruhr noch nicht erlebt hat: ein Duo der pianistischen Giganten Sir András Schiff und Evgeny Kissin. Nun ist der eine an Corona erkrankt, aber der andere rettete den Abend mit einem Solo-Recital. Die „Hochgebirgswanderung“, die Intendant Franz Xaver Ohnesorg nichtsdestoweniger versprach, löste Kissin zum nicht enden wollenden Jubel des Publikums in der Essener Philharmonie bravourös ein.
Klar, auf ein Schmankerl wie die Bearbeitung der „Moldau“ für zwei Klaviere in den Händen zweier führender Weltstars hatte man sich schon gefreut. Aber Evgeny Kissin bot ein kontrastreiches Programm von Bach bis Chopin und hatte mit einer Transkription der populären Toccata und Fuge d-Moll (aus der Feder des Liszt-Schülers Carl Tausig) doch noch eine Rarität im Rucksack – zwar ohne die Klangpracht und Prinzipalschärfe des vollen Orgelwerks, doch klar in Linienführung und Stufendynamik.
Evgeny Kissin mit brillanten Goldregen bei Chopin
Kissin weiß die Musik souverän zwischen Ruhe und Bewegung auszubalancieren und dank subtiler Anschlagskultur in Schönheit und Beredsamkeit auszubreiten. Der Zuhörer staunt über den brillanten Goldregen in Chopins Andante spianato ebenso wie über die schlichte Natürlichkeit und Wärme des (zugegebenen) D-Dur-Rondos bei Mozart. Genau da lässt der Pianist Beethovens späte Sonate op. 110 anknüpfen: in melodischem Leuchten, in Ausdruckstiefe und expressiv „vermenschlichter“ Polyphonie, ohne im Scherzo den Bruch zwischen Witz und Wut zu unterschlagen. Derselbe Facettenreichtum, der die ausgewählten Chopin-Mazurken zu einer Ausstellung unterschiedlicher Charakterstücke zusammenfügte.
Standing Ovations für den Gipfelstürmer auch noch nach einer halben Stunde großzügiger Zugaben, bei denen die wirkmächtige As-Dur-Polonaise nicht fehlen sollte.