Essen. Eric Claptons „Nothing But The Blues“-Dokumentation – und das „The Fighter“-Album von Simon McBride.
Ein Schelm, wer Wörter wie Claptomanie oder Beutelschneiderei denkt bei der Nachricht, dass heute ein weiteres Clapton-Album ohne einen einzigen neuen Song erscheint. Herzstück der Neuerscheinung ist der Clapton-Dokumentarfilm „Nothing But The Blues“. Im Gegenteil: Die Aufnahmen sind fast drei Jahrzehnte alt. Und doch: Der Film, aus dem sie stammen, produziert vom US-Sender PBS, ist 1995 gerade mal einmal gezeigt worden.
Die Doku umfasst die Höhepunkte von zwei Konzertabenden am 8. und 9. November im Fillmore von San Francisco; Clapton war da tatsächlich in guter Form, aber das kommt seit seiner Trockenlegung garnicht so selten vor. Weit mehr Interesse aber als die 123. (wenn auch überragend gute) Version von „Have You Ever Loved A Woman“ verdient ein Interview von Martin Scorcese mit ihm, das in der Doku dazwischengeschnitten wurde (einen 37-Minuten-Ausschnitt gibt es auch schon, in einer Ton- und Bild-Qualität allerdings, die vom Fernseher abgefilmt zu sein scheint, bei YouTube).
Clapton schwärmt für Vorbilder wie Muddy Waters, B.B. King, T-Bone Walker
Einnehmend ist schon die liebenswürdig-bescheidene, himmelhoch bewundernde Art, in der ein überragender Gitarrentechniker wie Clapton von Vorbildern reden kann. Von B.B. King also, T-Bone Walker, dem jungen Buddy Guy, Robert Johnson, Howlin’ Wolf, Otis Rush... Aber vor allem von Muddy Waters. Vielleicht wird man sich hinterher eher an die ruinöse Zahnreihe von Jimmy Rogers erinnern, der erzählt, wie Waters damals als Landei nach Chicago kam – und dass sie beide zusammen viel geübt, geübt und geübt haben - glaube niemand, dass der Blues bloß Feeling ist, auch wenn Muddy Waters’ weltweit größter (und erfolgreichster) Verehrer Eric Clapton immer wieder die Leidenschaft und das Gefühl dieses wahren Blues-Gottes betont.
Der Stil von Waters, erinnert sich Jimmy Rogers, war alles andere als angeboren: Er war das Ergebnis eines gnadenlosen Wettbewerbs in den Bars, Spelunken und Clubs von Chicago, den Hunderte von begabten Musikern unter sich austrugen. Als Muddy Waters dann in das London der frühen 60er kam, in dem die Stones, Claptons, Yardbirds und andere seine Songs nachspielten und wo es hip war, mager und schmächtig auszusehen, machte Waters schon äußerlich als fülliger Hüne den Unterschied: „Wir fühlten uns wie Liliputaner“, lacht Clapton. Und dann erst, wie Waters versuchte, ihm den Über-Klassiker „Little Red Rooster“ beizubringen: „Er schrubbte meine Hand übers Griffbrett, Mann, der war richtig sauer!“ Anderes, wie das Eingeständnis, dass sich Clapton das Riff des „Cream“-Evergreens „Crossroads“ aus dem Delta-Blues geklaut hat, hätte man sich schon denken können und überrascht weniger.
Simon McBride springt bei Deep Purple für Steve Morse ein
Ein bisschen Blues-Geschichts-Nachhilfe und viel Stoff für Sentimentalität also. Wen dagegen mehr die Zukunft den Blues interessiert, der ist derzeit bei dem 1979 in Belfast geborenen Simon McBride gut aufgehoben. Der Mann hat gerade Schlagzeilen geschrieben, weil er auf der aktuellen „The Whoosh“-Tournee bisherigen Stamm-Gitarristen Steve Morse ersetzen soll (der sich als Franz Müntefering des Rock alle Achtung verdient, weil er sich um seine krebskranke Frau kümmern will).
Simon McBride hat allerdings gerade sein viertes Album „The Fighter“ veröffentlicht. Das scheint zwar zunächst in einen gewissen Joe-Bonamassa-Ähnlichkeitswettbewerb einzusteigen, aber je genauer man hinhört, entdeckt man, wie viel Blues in diesem Rocker steckt. Selbst in einem Herzschmerz-Titel wie „Show Me How To Love“ bringt er so viel blaue Zwölf-Takt-Farbe unter, dass es eine Freude ist. Und der Titelsong offenbart am deutlichsten McBrides Hang zu Septimen-Akkorden, die für die elegische, aber nicht minder kraftvolle Seite des Blues steht.
Näher am Gitarren-Sound und -Feeling von Ritchie Blackmore. Besser als Bonamassa
Deep Purple könnte mit ihm die Chance haben, wieder zum ikonischen Ritchie-Blackmore-Sound vorzustoßen, solange dessen Original-Urheber noch im Mittelalter-Folk steckt. Simon McBride kann beides, Rock und Roll-Geballer – und er hat ein derart ausgeprägtes Händchen für eingängige Refrains, dass man sich fragt, warum man ihn nicht längst schon mal zu hören bekommen hat. Und wer sein „Let Me Go“ gehört hat, weiß: Besser singen als Joe Bonamassa kann er auch.