Essen. Er beherrscht die Kunst der Pause – und vieles mehr: Gerhard Polt, Kabarettist, Autor, Fernseh- und Filmschauspieler, wird heute 80 Jahre alt.
Was Gerhard Polt mit der Pause macht, ist allergrößte Kleinkunst. Erst diese hochartistisch gesetzten Momente der Stille vor und nach und zwischen den Sätzen der vor sich hinbrabbelnden Gedankenlosigkeit, die sich selbst so gern für ein ,gesundes Volksempfinden’ hält, lassen die Ungeheuerlichkeiten ahnen, die man da soeben vernommen hat. Das Publikum braucht diese Pausen, sie sind mehr als nur klingende Anführungszeichen. Denn zwischen Normalität und Groteske liegen bei Polt immer nur ein, zwei Silben – und in den Pausen hat das Grauen die Gelegenheit, sich Luft und Geltung zu verschaffen. In diesen Pausen steckt das „Beinahe“ seiner ur-bayerischen Echtheit, deshalb heißt sein Dauerprogramm denn auch wie seine frühe Sketch-Reihe: „Fast wia im richtigen Leben“.
Gerhard Polt, der 1942 in München zur Welt kam und heute seinen 80. Geburtstag feiern kann, hat in Filmen, Hörspielen und Kabarettprogrammen nur zum Schein das in die Tat umgesetzt, was Kurt Tucholsky einst forderte: „Man sollte mal heimlich mitstenographieren, was die Leute so reden, was Menschen so schwabbeln“. Polts Texte sind kein Naturalismus, er nennt sich selbst „Erzähler“, denn seine Rollenprosa ist hochgradig kunstvoll, in ihrer scheinbaren Einfachheit entstellt sie beinahe unauffällig das Ungeheuerliche.
Gerhard Polt weiß, wie er den Spießer aufspießen kann
Und niemand beherrscht die Technik der rhetorischen Umarmung so gut wie die von Polt zum Leben erweckten Figuren. Ein sekundenkurzes „E-he“ genügt ihm dazu, und schon hat er wieder in aller unschuldigen Bosheit den Spießer aufgespießt, wie er in vielen herumpoltert und manchmal auch in uns selbst: „Der Asiate schmutzt net, gell.“ E-he.
„Der Mensch“, hat Polt einmal gesagt, „ist ein Vieh, das lacht.“ Ihm gelingt es, beides zu vereinen, in Filmen wie „Kehraus“ und „Man spricht deutsh“, in Programmen, die er oft mit den Biermösl Blosn absolviert, die jetzt Well-Brüder heißen, einmal auch mit den Toten Hosen und vielleicht zu selten mit der großartigen Gisela Schneeberger, seinem perfekten weiblichen Pendant. Mit ihr und Dieter Hildebrandt trat er auch in jener genialen „Scheibenwischer“-Sendung auf, die den Wahnsinn des im Bau befindlichen Rhein-Main-Donau-Kanals zur Kenntlichkeit entstellte und Franz Josef Strauß auf die Palme brachte. Dafür konnte sich der schwedische Regent Carl Gustaf königlich über einen Polt amüsieren, der mit einem perfekt auf Schwedisch vorgetragenen Programm glänzte.
Unterzeichner des Intellektuellen-Briefs an Kanzler Scholz
Seinen vielen Familienvätern, Neureichen, Alt-Junggesellen und Urlaubern hat Polt gerade eben mit dem unaussprechlichen Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk einen widerlich daherschwätzenden Großkotz vom Tegernsee mit Hummerweißwürsten an Bordeaux hinzugefügt. Aus der Wirklichkeit nur um Millimeter so in die Satire gerückt, dass wieder alle wissen, wie man nicht sein will, sein sollte.
Dass er zu den Erstunterzeichnern des Intellektuellen-Briefs an Kanzler Scholz gehört, der Besonnenheit und maximalen Friedenswillen anmahnt, zeigt am ehesten den unverstellten Polt. Der Satiriker, auch das wusste ja Tucholsky schon, ist ein gekränkter Idealist.