München/Dresden. In ihrer Heimat herrscht Krieg. Deshalb wollen die Musiker des „Kyiv Symphony Orchestra“ ihre Stimme erheben. Bei ihrer Tournee reisen Ängste mit.

Es ist ein bisschen Vertrautheit mitten in den Schrecken des Krieges: Das Kyiv Symphony Orchestra ist derzeit auf Tournee und viele der Musiker sind froh, nach vielen Wochen endlich wieder gemeinsam musizieren zu können. Nach Auftritten in Polen gastiert das ukrainische Ensemble ab Montag in Deutschland, erst in Dresden, dann unter anderem in Berlin, Wiesbaden und Hamburg.

„Es ist hart, zu spielen“, gibt der Violinist Oleksii Pshenychnikov zu. Die Gefühle, Sorgen und Ängste begleiteten alle. „Aber natürlich haben wir die wichtige Mission, mit unserem Orchester unsere Stimme nach Europa zu bringen, und ich versuche, mich darauf zu konzentrieren.“ Das Ziel der Musiker: Sie wollen dem Publikum die Musik ukrainischer Komponisten nahebringen, etwa von Myroslav Skoryk (1938-2020) und Borys Ljatoschynski (1895-1968). Geigen-Solisten sind Diana Tischenko und Aleksey Semenenko, ebenfalls aus der Ukraine. Man wolle die russische Aggression mit der sanften Macht der Musik bekämpfen, erklärt das Orchester.

Wiedersehen in Warschau

Orchesterproben gab es in den Wochen seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar nicht, gleichwohl zahlt die Stadt Kiew nach Angaben des Ensembles weiter Gehälter. „Viele Musiker haben angefangen, online Konzerte zu spielen“, berichtet die Flötistin Inna Vorobets. In der polnischen Hauptstadt Warschau kamen sie endlich wieder alle zusammen, unter guten Bedingungen. „Wir haben das Gefühl, sicher zu sein, wir hören keine Sirenen mehr jeden Tag“, sagt Vorobets.

Inmitten der Schrecken des Krieges spielte die Musik für Vorobets und ihre Kollegen eine wichtige Rolle. „Es war eine Möglichkeit, wie man seine Zeit verbringt, um nicht verrückt zu werden“, beschreibt es Pshenychnikov. Der 22-Jährige hatte sich nach Kriegsbeginn von der ukrainischen Hauptstadt aufs Land zurückgezogen. Dort übte er auf seiner Geige – und er trat auf: „Ich habe Konzerte für meine Tante und meinen Onkel gespielt, für meine Familie.“

Nationalhymne und Schweigeminute

Vorobets geht es nahe, wenn vor Konzerten die Nationalhymne ihres Landes gespielt wird und mit einer Schweigeminute der Opfer gedacht wird. „Es ist schwierig, nach diesen Momenten die Emotionen in den Griff zu bekommen“, hat sie festgestellt. „Doch die Musik hilft sehr, weiterzumachen. Musik ist wie eine Medizin.“Nach der Tournee kehrt das Symphonieorchester wieder zurück in die Ukraine, die Männer durften nur unter dieser Bedingung ausreisen. Pshenychnikov hofft, dass er dann irgendwann seinen Bachelor in Violine beenden kann. Aber er könne derzeit nicht planen. „Ich weiß nicht, was sein wird, wenn ich zurückkehre.“