Köln. 42.000 Fans freuen sich in Köln an drei Abenden über ein Konzert der Superlative: Zum Auftakt am Sonntag spielten Genesis zweieinhalb Stunden.

Diabolisches Lachen. Tiefrotes Licht. Videoprojektionen, die an Lavaströme aus dem Erdinneren und an rinnendes Blut denken lassen. Getragen vom zerquälten Sehnsuchtssog der Stimme entwickelt „Mama“ die gleiche Beschwörungskraft wie vor fast 40 Jahren. Auf tosenden Applaus folgt die Begrüßung durch Sänger Phil Collins. Was der 71-Jährige sagt, könnte als Musterbeispiel für britisches Understatement gelten: „Vielen Dank. Guten Abend Köln. Guten Abend! We are Genesis. We are here to entertain you.“ (Wir sind Genesis. Wir sind hier, um euch zu unterhalten.)

Dass die Band, die zu den weltweit erfolgreichsten Bands aller Zeiten zählt, für (gute) „Unterhaltung“ sorgen wird, bezweifelt an diesem Sonntag in der Kölner Arena wohl niemand. Zumal es sich um ein Ereignis der Superlative handelt. In mehrfacher Hinsicht. Zum ersten Mal seit 2007 kann man Phil Collins, Tony Banks und Mike Rutherford wieder live gemeinsam auf einer Bühne erleben. Und zugleich zum letzten Mal. Das Fragzeichen hinter dem Tourtitel „The Last Domino?“ schürt vergebliche Hoffnungen: am 26. März fällt in London der letzte Stein in der Kettenreihe.

Das Konzert ist drei Abende (13., 14. und 19. März) mit je 13.900 Tickets ausverkauft

Die Kölner dagegen haben etwas zu feiern: das erste große Konzert in der Arena seit der Corona-Zwangspause. Das gleich drei Abende (13., 14. und 19. März) mit jeweils 13.900 Tickets ausverkauft ist. Das erste Drittel der knapp 42.000 Fans konnte sich schon Sonntag über eine rundum gelungene Show freuen. Mit fast zweieinhalb Stunden Spielzeit, über 20 Stücken, drei Zugaben und einer 1A-Setlist, die die Zeit von 1970 bis 1991 abdeckt. Zu Banks und Rutherford (beide 71) war die Zeit gnädig, aber anders als den Keyboarder und den Gitarristen und Bassisten hat sie Collins arg gebeutelt. Wie schon bei den letzten Solokonzerten 2017 und 2019 in Köln erlebt man ihn mit Gehstock und als einen, der nicht lange stehen kann. Sein Gesicht wirkt eingefallen und stark gealtert, ein Drehstuhl verhilft ihm zu einem Minimum an Beweglichkeit. „I Can’t Dance“ wird für denjenigen, der einstmals so ein agiler Tambourin-Tänzer war, zur bitteren Wahrheit.

Doch vom Tambourin kann er trotzdem nicht lassen – und füllt die Lücke mit einer augenzwinkernd-koketten Darbietung im Sitzen. Stimmlich beherrscht er die für ihn typische akzentuierte Phrasierung noch immer perfekt, manche Stücke wie „I know what I Like (In Your Wardrobe)“ sind tiefer gesetzt, die beiden „new faces“ Patrick Smyth (38) und Daniel Pearce (43) buttern zu, wo es nötig ist und verleihen dem Gesang mehr Fülle.

Schlagzeuger von Genesis ist seit 2017 Collins Sohn Nicholas

Schlagzeuger von Genesis seit 2017: Collins Sohn Nicholas. Den sein Vater liebevoll „my little boy“ nennt, wobei der inzwischen schon 20 – und an den Drums ein Großer ist. Mit Daryl Stuermer (69) haben Genesis einen weiteren routinierten Gitarristen und Bassisten an Bord, schon seit Ende der 1970er gehört er zum harten Kern. Während sich Einiges – wie die Erläuterung des Domino-Prinzips unter Beteiligung des Publikums mit verteilten Rollen – nie ändert, bekommt anderes aktuellen Bezug. Wie die Frage danach, wer die Menschheit in ein „Land of Confusion“ wirft: „Früher war das Reagan, später kam Covid, und heute ist es Putin, der in die Ukraine eingedrungen ist.“

Fantasievolle, farbstarke Videos wie die Wanderung durch ein Geisterhaus auf den Klippen bei „Home by the Sea“ werden begleitet von einer tollen Lightshow. Bewegliche Strahler unter der Hallendecke malen Kreise, Elipsen oder Wellen über den bestuhlen Innenraum und die Ränge. Über der Bühne sind auf- und absenkbare Traversen installiert, die wirken wie riesige Legosteine oder an Hightech-Neonröhren erinnern.

Beim Akustik-Set versammeln sich Banks, Rutherford, Stuermer und Collins Junior um den Sänger. Für Stücke, „die ihr kennt, die aber ein kleines bisschen anders klingen. Bitte singt mit!“ Einer Aufforderung, der die Fans zu „That´s All“, „The Lamb Lies Down On Broadway“ und „Follow You, Follow Me“ nur zu gern Folge leisten. Verglichen mit der instrumentalen Wucht von „Firth of Fifth“ hört sich das beinahe so an wie ein Kammerkonzert oder wie ein Gig auf der Straße. Für fast 14.000 Menschen womöglich der schönste Teil des Abends. So, gefühlt, nah wird man Genesis nie wieder kommen.