Duisburg. Düsteres Werk in frostigen Zeiten: Samstag hatte „Katja Kabanova“ Premiere in Duisburg. Das Publikum ließ sich von der schweren Kost fesseln.

Wir leben in frostigen Zeiten. Eine äußerlich eiskalte, innerlich jedoch brodelnde, geradezu implodierende Welt ist auch der Schauplatz von Leoš Janáčeks 1921 uraufgeführter Oper „Katja Kabanova“, die jetzt eine Neuinszenierung von Tatjana Gürbaca an der Deutschen Oper am Rhein zeigt.

Janáček greift für seine Oper auf das 60 Jahre ältere Theaterstück „Gewitter“ des russischen Dramatikers Alexander Ostrowski zurück, der die mit weltanschaulichen und politisch-gesellschaftlichen Wandlungen verbundenen Krisen seiner Zeit aus der Perspektive eines kleinen russischen Dorfes betrachtet. Janáček presst die Thematik noch komprimierter in den engen Rahmen einer einzigen Familie, in der hierarchische Strukturen auf freiheitliche Visionen einer neuen Generation prallen.

Katja Kabanova, die Gattin des schwachen und von seiner Mutter dominierten Kaufmanns Tichon, leidet nicht nur unter den Repressalien ihrer Schwiegermutter, sondern auch unter der Gefühlskälte der Gesellschaft und der Sinnlosigkeit ihrer Existenz. Sie lässt sich auf ein kurzes Abenteuer mit dem ebenfalls schwächlichen Boris ein. Inmitten eines Gewitters gesteht sie mit großem Selbstbewusstsein vor der Dorfgemeinschaft ihren Ehebruch und sieht in vollem Bewusstsein als einzigen Ausweg, sich in der Wolga zu ertränken. Und zwar als aktiver Befreiungsakt, nicht als depressive Kurzschlusshandlung.

Die Wolga, das Sinnbild einer intakten, friedlichen Natur, wird damit zum Rettungsanker der Frau. Zu sehen ist der Fluss in Tatjana Gürbacas Inszenierung nur zu Beginn in einer Videoeinspielung. Danach schließen sich die hölzernen Mauern der Bühnenbauten von Henrik Ahr und lassen nur noch enge Schlupflöcher und gelegentliche Ausblicke in leere Hintergründe zu. Eine Art Terrarium, in dem sich die Figuren wie fremdgesteuerte Reptilien bewegen und immer wieder zu Standbildern gefrieren. Ausbrüche wie die Affäre Katjas mit ihrem Liebhaber verpuffen als Illusion. Wobei Tatjana Gürbaca ohnehin nicht die Liebestragödie in den Mittelpunkt stellt, sondern die gesellschaftlichen Zwänge, denen sich Katja durch ihren Suizid entziehen will.

Deshalb inszeniert die Regisseurin die Schlussszene auch nicht als dramatischen Monolog einer vereinsamten Frau. Die gesamte Familie wandelt durch die Szene und verstellt eher den Blick auf Katja, die im Hintergrund fast beiläufig in den Fluss steigt. Eine vertretbare, wenn auch ungewohnte und dramaturgisch weniger effektvolle Deutung, die aber durchaus der genauen psychologischen Profilierung aller Figuren entspricht, von der altvorderen Kabanicha bis zur aus der Gemeinschaft ausbrechenden Ziehtochter Varvara.

Janáčeks Tonsprache klingt hier noch schroffer als in seinen populäreren Stücken, der „Jenufa“ oder dem „Schlauen Füchslein“. Und Generalmusikdirektor Axel Kober entwickelt mit den Duisburger Philharmonikern ein entsprechend scharfkantiges, druckvolles Klangbild, hält den Orchesterapparat aber stets so weit unter Kontrolle, dass sich die Sänger selbst in den Höhepunkten noch behaupten können. Das gelingt der erfahrenen Sylvia Hamvasi in der Titelrolle mühelos, die auch unter starkem orchestralem Beschuss die lyrischen Qualitäten ihrer Stimme entfalten kann und ein eindrucksvolles Psychogramm einer unterjochten, aber selbstbewussten Frau entwickelt.

Großartig auch das zukunftsorientierte Paar mit Anna Harvey als Varvara und Cornel Frey als Lehrer Kudrjasch. Als rückwärtsgewandte Antipoden setzen Eva Urbanová als Kabanicha und Sami Luttinen als Dikoj markante Akzente. Wobei die Regisseurin besonders viel Mühe in die Charakterisierung der schwächlich agierenden Männerrollen investiert, so dass Matthias Klink als Tichon und Daniel Frank als Boris nicht nur stimmlich überzeugen können. Vorzüglich treten Luiza Bardan, Ekaterina Aleksandrova und Roman Hoza in kleineren Partien in Erscheinung. Starker Beifall für eine diskussionswürdige Inszenierung des packenden, musikalisch hochrangig ausgeführten Werks.

Die schlimme Weltpolitik lässt auch Intendant Christoph Meyer nicht kalt, der, auf das friedliche Miteinander seiner aus über 40 Nationen stammenden Mitarbeiter hinweisend, den Abend gemeinsam mit dem Ensemble mit Felix Mendelssohn Bartholdys schlichten, aber eindringlichen Appell „Verleih uns Frieden gnädiglich“ nachdenklich enden ließ.

Spieldauer: ca. 1 h, 40 Min., keine Pause. Die nächsten Aufführungen in Duisburg 8., 13., 20., 26. und 28. März (Infos: www.rheinoper.de).