Düsseldorf. Alles Schall und Rausch: Raves sind Geschichte: Der Kunstpalast zeigt wie Techno und House entstanden und welche Rolle Düsseldorf spielte
Der Rave ist gar nicht tot, er ist nur ziemlich museumsreif. Das lässt sich jetzt im NRW-Kunstpalast besichtigen – in der bislang wohl lautesten Ausstellung dort. Aber selbstredend weit weg von jenen Schallpegeln, die für House und Techno üblich sind. Und mag auch das Ecstasy-Smiley am Beginn der Ausstellung noch so verzückt lächeln – die Ausstellung wird keine Party. Sehens- und hörenswert ist sie dennoch.
Irritiert, schaudernd und ein bisschen melancholisch schaut man am Ende auf einige großformatige Andreas Gurksy-Fotos (erstmals auf graue und nicht auf weiße Wände gehängt!) und sieht fassungslos die Crowd: Das Meer aus verschwitzten, halbnackten, ekstatisch tanzenden Leibern auf Techno-Partys. In der Tat, das gab es alles mal. In einem anderen Zeitalter, vor drei Jahren...
Aber zunächst, wir sind schließlich im Museum, wird gelernt: Es sind die Pionierinstrumente der elektronischen Musik, die ja auch schon ein gutes Jahrhundert auf dem Buckel haben. Man verneige sich also vor dem messingglänzenden Schallkreuz von Nikolai Obuchow, bewundere Trautonium, Theremin und GMEBaphon, das aussieht, als könne man damit den Raumkreuzer Orion durch die Galaxie steuern, auch wenn es nur die „Group Musique Eletronic Bourges“ war. An vielen Stellen kann man seinen Kopfhörer einstöpseln und damit lauschen, wie jene altväterlichen Musikinstrumente elektronische Klänge erzeugten.
Elektronische Musik lässt sich günstig daheim erstellen - im House
Die große Evolution begann dann: Nach den wandhohen Moog-Synthesizern deren in Holz gefasste Technik mit sichtbar vom Leben und Spielen gezeichneten Klaviaturen entstanden die kleinen elektronischen Zauberkästen von Roland und Korg, folgte,die Erfindung von Vocoder und Sequenzer. So ließ sich Electro leicht und günstig herstellen. Daheim, im House, eben.
Zu sehen ist das in dunklen Hallen mit Gerüstkonstruktionen, in denen Kammern entstehen: Ein fiktives Tonstudio-Ideal von Jean-Michel Jarre, genauso wie jenes „Studio für elektronische Musik“, in dem in den 50er-Jahren John Cage und Karl-Heinz Stockhausen experimentierten. Zu danken jenem WDR, der 1995 „Schwingungen“, seine Sendung für elektronische Musik, aus dem Programm nahm.
Im Herzen der erstmals vor drei Jahren in Paris präsentierten Ausstellung – wie könnte es in Düsseldorf anders sein – pulsiert natürlich das „Kraftwerk“, jener wohl wichtigste deutsche Beitrag zur Entwicklung des Electro-Pop.
Insofern ist hier der Lokalpatriotismus mal angemessen, da das Haus eine Schau erstmals in Deutschland zeigt. Wenn Museumsdirektor Felix Krämer irgendwo auf der Welt erklären muss, wo er arbeitet, dann sagt er: „Kunstpalast, das ist da, wo Kraftwerk zum Auftakt der Tour de France mal ein Konzert gegeben haben.“ Im Zentrum der Ausstellung arbeitet es also: das Kraftwerk. Mit allen acht Alben in einem Remix in einem weißen Raum zu Gehör gegeben, mit einer 3D-Brille kann man die entsprechende Videosequenz genießen.
Denn Electro und House gehen zwingend mit Video und Lichttechnik einher: Wo vor Publikum nicht mehr sinnlich nachvollziehbar mit Instrumenten hantiert wird, muss ein Ersatz her. Ob man dazu gleich den tanzenden Miniwürfel braucht, der an einer Stelle der Schau vor sich hinlärmt und damit den klug zusammengestellten Begleitsoundtrack von Laurent Garnier zerhackt, sei allerdings dahingestellt.
Seelenlos? Vielleicht. Aber sinnlich ist Electro dennoch
Mag man der elektronischen Musik auch immer mal vorgeworfen haben, seelenlos zu sein oder zu klingen: Sinnlich wird sie in dieser Ausstellung mit mehr als 500 Exponaten von 100 Künstlern dennoch. Und Techno und House sind ja nicht nur Schall und Rausch, sondern haben auch ihre verehrten Objekte: kunstvolle Vinylscheiben beispielsweise. Damals in den 80ern war es Ausweis des Kulturwandels, dass New Order eine Platte herausbrachte, die aussah wie eine Computerdiskette. Oder die Helme und Rucksäcke von Daft Punk, die Kraftwerk-Roboter, die über die Schau wachen.
Eine Schau, die wie Mit-Kurator Alain Bieber betonte, wie jeder gute Club einen 2nd Floor hat. Und auch der lohnt sich, ein Treppchen weiter oben lässt sich in tiefen Ledersofas der Klang der Ausstellung genießen -- und dazu auf die Fotos von André Giesemann und Daniel Schulz schauen: Sie haben die Leere in den Clubs fotografiert, wenn der letzte Gast gegangen ist. Zeugnisse der vergangenen Nacht – in einer Ausstellung mit Zeugnissen einer (vorerst?) vergangenen Epoche.
Ausstellung läuft bis Mai – einen Katalog gibt es auch noch
Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 15. Mai, di-so 11-18 Uhr, do bis 21 Uhr, außer an Weihnachten und Silvester. Tickets gibt es im Online-Shop des Museums für 14 Euro.
In Kürze soll ein hundertseitiger Katalog erscheinen (24,80 Euro), zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Programm mit Führungen und Workshops, www.kunstpalast.de.
In den nächsten zehn Tagen - bis zum 21. Dezember – wird zudem das ikonische Symbol des Plattencovers „Trans Europa Express“ von Kraftwerk an die Tonhalle projiziert, täglich von 17 bis 21 Uhr.