Essen. Die Geschichte einer Entwertung: In ihrem neuen Buch beschreibt die Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes, wie Frauen zu „Hausfrauen“ wurden.

So wunderbar waren die Feiertage: In blitzblank geputzten Heimen wird auf schön gedeckten Tischen feines Essen serviert und hübsch verpackte, sorgfältig ausgewählte Geschenke werden verteilt. Wie von Zauberhand! Und wer hat geputzt, gekocht, serviert, eingekauft? Immer noch, meistens – die Frau im Haushalt. Dem Ursprung dieser Rollenverteilung und der „Erfindung der Hausfrau“ hat die Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes ein ganzes Buch gewidmet; sie setzt sich mit einem Phänomen auseinander, das historisch gesehen erstaunlich jung ist.

Denn früher, da war ja alles anders. Rulffes kämpfte sich durch die „Hausväter“-Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts, Alltagsratgeber für große Landhaushalte, die sich noch an das haushaltsführende Ehepaar richteten. Erst der Brandenburger Geistliche Christian Friedrich Germershausen veröffentlichte mit „Die Hausmutter in all ihren Geschäfften“ von 1778 bis 1781 einen fünfbändigen Bestseller nur für die Frau. Die hier allerdings eher als Managerin denn Arbeiterin auftrat – die „Hausmutter“ als Herrschaftsbegriff. Als Vorstand einer kleinen Firma, in der fürs Kochen, Waschen, Putzen bezahlte Dienstleister angestellt waren.

Die Hausarbeit als „Liebesdienst“

Die Hausfrau, wie wir sie heute kennen, sie ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Bürgerliche Ehefrauen übernahmen Dienstleistungen, die zuvor bezahlte Bedienstete übernommen hatten: „Stillen, Kochen, Kinderversorgung, Kleiderpflege und -herstellung, Einkaufen, Putzen“ zählt Rulffes eindrücklich auf: „Es galt als Zeichen von bürgerlichem Wohlstand, dass die Ehefrau nicht ,arbeiten‘ musste, was bedeutete, dass sie kein Geld verdienen durfte, weil es dem Ansehen ihres Mannes geschadet hätte.“ Ihr Lohn war ein ideeller: „Die Übernahme der häuslichen Arbeit wurde zunehmend mit der Liebe zu Ehemann und Kindern begründet und eingefordert.“ Die Hausarbeit als „Liebesdienst“ war zugleich eine „Deprofessionalisierung“, so Rulffes. Als „Amateurin“ übernahm die Frau nun alle Aufgaben, „die früher in einem stark arbeitsteiligen Haushalt“ verschiedenen Fachleuten überlassen gewesen seien.

Rulffes geht noch weiter zurück, um zu verdeutlichen, dass das Rollenbild der Hausfrau keinesfalls evolutionsbiologisch zu erklären ist. So schildert sie eindrücklich, wie die Stände des Mittelalters ganz selbstverständlich auf Frauen setzten, dass Handwerkerinnen oder Ärztinnen nicht selten waren – und nur die Hälfte aller Erwachsenen zur damaligen Zeit verheiratet waren. Wie dann aber die verschiedenen Zünfte die Frauen verdrängten, das ist detailreich belegt.

Hausarbeit wird nicht mehr als Arbeit wahrgenommen

Mit ebenso scharfem feministischem Blick liest Rulffes die Ratgeberliteratur der verschiedenen Jahrhunderte, die immer auch dazu angetan war, die Rolle der Frau zu definieren (es schrieben die Männer). Schließlich ergibt sich spätestens mit der Industrialisierung eine Verschiebung von „Arbeit aus dem Haus heraus“ und die „Verschiebung von bezahlter Arbeit im Haus zu unbezahlter Arbeit im Haus“. Diese Arbeit wird allerdings gar nicht mehr als solche wahrgenommen, „sie ist nur noch dann sichtbar, wenn sie nicht ausgeführt wird“ – wenn die Wollmäuse toben, die Wäscheberge sich türmen. „Hausarbeit wird nur noch von der Hausfrau als Arbeit wahrgenommen, nicht mehr vom Ehemann, der Gesellschaft und der Wissenschaft.“

Familiäre Dienste? Selbstverständlich!

Das bisschen Haushalt! Und wenn es nur das wäre: Evke Rulffes schildert eingangs eine Szene aus ihrem eigenen Erleben, die unterstreicht, welche innerfamiliären Dienste heute als selbstverständlich gelten – und wie sehr Liebe mit Hausarbeit verknüpft wird. „Im gutsituierten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ist es üblich, zu Kindergeburtstagen mindestens vier Kuchen zu backen. Einen für morgens, einen für die Kita oder Schule und mindestens zwei für die Party. Auch nur einen davon zu kaufen, kommt einem Tabubruch gleich.“

Woher dieser gesellschaftliche Anspruch an mütterliche Perfektion kommt „und wie er mit dem Modell der Hausfrau zusammenhängt“ – das hat Rulffes in ihrem Buch eindrücklich nachgezeichnet.

Das Buch

„Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung“, Harper Collins, 256 Seiten, 22 Euro.