Selm. Westfälischer Barock erstrahlt in neuem Glanz: Das Schloss Cappenberg in Selm ist für 4,5 Millionen Euro umgebaut worden. Bald ist Neueröffnung.

Der Graf ist mutig. Am Cappenberg baut er neuerdings Riesling an, am nördlichsten Weinberg Nordrhein-Westfalens. Der Verkauf der abgezählten Flaschen dürfte finanziell aber wohl kaum ins Gewicht fallen. Den 4,5 Millionen teuren Schloss-Umbau, der nach fünf museumslosen Jahren 2021 sein Finale erreicht hat, teilen sich starke (Kultur-)Partner: Besitzer Graf Sebastian von Kanitz, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und der Kreis Unna.

Das Warten und der Aufwand haben sich gelohnt, meint LWL-Direktor Matthias Löb. Von außen und innen wurde das Schloss Cappenberg neu in Szene gesetzt. Altes Parkett wurde geschliffen, geölt und poliert, neue Böden gelegt, eine frei schwebende Eichentreppe eingezogen, unauffällig ein Aufzug integriert. Der berühmte Balkon mit Blick über die Lippe-Niederung ins östliche Ruhrgebiet wurde generalüberholt, die Fassade neu verputzt, die großen Tafelbilder, Kassettenmale­reien, Wände und Stuckdecken restauriert. Mit viel Fingerspitzengefühl für das Denkmal und „das dauerhaft Schöne“ (Freiherr vom Stein) gingen Architekten (Spital-Frenking + Schwarz) und Bauleitung (Richter & Kuhnen) zu Werke, lobt Schlossbesitzer Graf Sebastian von Kanitz, der den Löwenanteil der Kosten trägt.

Umbau kostete 4,5 Millionen Euro

Das Schloss ist seit den 1980er-Jahren eine bekannte Kunst-Adresse im Kreis Unna. Bereits vor dem Umbau lockten überregional bedeutsame Ausstellungen jedes Jahr rund 80.000 Besucher ins Schloss.

Schloss Cappenberg: Blick in die sanierten Flure im Obergeschoss.
Schloss Cappenberg: Blick in die sanierten Flure im Obergeschoss. © sim | sim

Der LWL wird nun eine komplett neue Ausstellung über Freiherr vom Stein zeigen, den früheren Schlossbesitzer. Nach seinem Rückzug aus der „großen Politik“ erwarb der preußische Reformer 1816 das Schloss als Alterssitz. Westfalen sei reich an Herrenhäusern und Schlössern, Cappenberg indes etwas ganz Besonderes, betont Löb: „Dieser Ort ist für uns doppelt bedeutsam: Hier lässt sich exemplarisch westfälische Landesgeschichte seit dem Mittelalter ablesen. Und der preußische Reformer Freiherr vom Stein war der Wegbereiter der regionalen Selbstverwaltung. Ohne ihn keine preußischen Provinzen, ohne ihn kein Westfalen, ohne ihn kein Landschaftsverband.“

Freiherr vom Stein ist es auch zu verdanken, dass der komplette Urkundenbestand aus dem Mittelalter erhalten blieb. Zusammen mit vom Steins eigenem schriftlichen Nachlass lagert er bis heute auf Cappenberg.

„An die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte anknüpfen“

Die neue LWL-Schau auf rund 500 Quadratmetern setzt allerdings weniger auf Flachware denn auf Erlebnis, Freiherr vom Steins Räume sollen mit neuer Ausstellungsarchitektur, neuen Möbeln und via Audioguide für die Besucher eher emotional-sinnlich und spannend inszeniert werden. Eingeläutet sei eine neue Zeit der musealen Nutzung mit allen Standards einer modernen Präsentation von Kunst (u.a. Klimatechnik, Beleuchtung, Barrierefreiheit), sagt Mario Löhr, Landrat des Kreises Unna. „Wir freuen uns, nach der Sanierungsphase wieder in diesem geschichtsträchtigen Gebäude Wechselausstellungen zeigen zu können. Damit möchten wir an die Ausstellungserfolge der vergangenen Jahrzehnte anknüpfen und Schloss Cappenberg wieder zu dem machen, was es immer für Kunstliebhaber war: ein Ausstellungsort mit besonderem Flair.“

Zur Eröffnung 2022 bereitet der Kreis Unna eine große Heinrich Graf Luckner-Schau vor, im Herbst und im Winter wird an 900 Jahre Kaiser Barbarossa erinnert.

Besuch lohnt schon alleine wegen des Schlossparks

Auch vor dem Neustart im Frühjahr lohnt ein Cappenberg-Besuch, schon allein wegen der mächtigen Bäume im Schlosspark. Die 23 Meter hohe und mehr als 200 Jahre alte Schlitzbuche aus einem Samen, den einst Alexander von Humboldt als Geschenk mitbrachte, ist ein atemberaubender Anblick.