Neu im Kino: „Last Night in Soho“ mit Anya Taylor-Joy, eine Doku über Albert Speer, ein Filmdebüt und ein Beitrag über den Lübcke-Mord.
Last Night in Soho
Der Engländer Edgar Wright („Shaun of the Dead“, „Baby Driver“) legt einen neuen Film vor, den er nach dem 1968er Hit der Band Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Titch betitelte. Die junge Eloise (Thomasin MacKenzie), ein optimistisches Mädchen vom Lande mit starker Sensibilität fürs Jenseitige, kommt fürs Modestudium nach London. Nach unschönen Erlebnissen im Wohnheim bezieht sie das Dachzimmer im Haus der etwas brüsken Mrs. Collins (Diana Rigg in ihrer letzten Rolle).
Hier wird sie bald von Visionen heimgesucht, die sie ins London des Jahres 1965 versetzen, wo sie zur indirekten Gefährtin der selbstbewussten Sandie (Anya Taylor-Joy) wird, die aber in schlechte Kreise gerät und immer tiefer abrutscht. Die dunklen Seiten hinter dem schönen Schein des Swinging London liefern einen pittoresken Hintergrund für einen schrecklich undurchdachten Quirl aus Okkult-Phantastik und Serienkillerthriller.
Edgar Wright erreicht in den guten Momenten die alptraumhafte Bildqualität von Brian DePalma („Schwarzer Engel“) und Adrian Lyne („Jacob’s Ladder“), oft aber wirkt seine Inszenierung mit Zombie-Geistern und Feuerfinale wie ein aus den Fugen geratenes Groschenheft. Aber: Die Ausstattung der Clubs, die Kostüme, Frisuren und das Make-up von Anya Taylor-Joy und die Chance, eine superbe Auswahl von Sixties-Songs einmal auf einer wattstarken Kino-Tonanlage zu hören, sind zweifellos charmante Lockstoffe.
Windstill
Jakob (Thomas Schubert) schuftet im Küchenakkord eines Edelrestaurants, seine Frau Lara (Giulia Goldammer) fühlt sich zu Hause in der Betreuung des ersten gemeinsamen Babys unterfordert, schmeißt hin und haut ab auf den alpinen Bauernhof ihrer Schwester Ida (Barbara Krzoska). Die beiden Frauen haben noch manche Rechnung miteinander zu begleichen. Das in deutsch-österreichischer Koproduktion erstellte Spielfilmdebüt der Filmautorin Nancy Camaldo beginnt spröde, zeigt sich aber zusehends souverän in Milieu-und Charakterzeichnung, dramatisch-dichter Erzählung und intensiver Schauspielerführung. Fast wähnt man sich in einer modernen Tennessee-Williams-Welt, aber wo das reinigende Gewitter kommen müsste, da hört der Film abrupt auf. Camaldo kann schon viel, muss aber auch noch viel lernen.
Speer Goes to Hollywood
1969 veröffentlicht Albert Speer „Erinnerungen“. Das Buch wird ein internationaler Bestseller. 1971 soll ein Speer-Biografiefilm fürs Kino entstehen. Der junge Filmemacher Andrew Birkin besucht Speer in dessen Haus in Heidelberg. Gemeinsam entwickeln sie ein Drehbuch. Der Arbeitsprozess wurde auf Tonband mitgeschnitten. Diese authentischen Aufnahmen, ergänzt um nachgesprochene Sequenzen, bilden das Gerüst für einen Film, der mit zeitgenössischem Film- und Fotomaterial Speers Karriere im NS-System, bei den Nürnberger Prozessen und nach Haft nachzeichnet. Regisseurin/Autorin Vanessa Lapa, die zuvor schon in „Der Anständige“ Heinrich Himmler analysierte, entfaltet das Bild eines Karrieristen und Konformisten, der konsequent seine Taten und Verantwortlichkeiten im Dritten Reich leugnet und sich beharrlich reinzuwaschen trachtet. Der Mythos Speer wird mit diesem erhellenden, spannenden Film vorbildlich demaskiert.
Mit eigenen Augen
Im Kielwasser der Ermordung des hessischen Politikers Walter Lübcke sickern Informationen durch, dass der Täter Stephan E bereits lange davor in rechtsextremistischen Kreisen verkehrte und zur Gewalt neigte. Die Leitung des Politmagazins „Monitor“ nimmt die Recherche auf. Es sind noch zwei Wochen bis zur nächsten Sendung. Journalistischer Büroalltag zwischen Telefon und Computerbildschirm und Redaktionskonferenz steht auf der Agenda von Miguel Müller-Franks Dokumentarfilm. Die Innenansicht auf die Arbeit von Reportern lässt selbst dokumentarische Sorgfalt und dramatisches Verständnis vermissen. Es ist wenig einladend, wenn man jemanden minutenlang telefonieren sieht, aber nicht weiß, mit wem und worüber gesprochen wird.