Essen. In der Essener Philharmonie ist Raphaël Pichon, Spezialist in Sachen Alter Musik, „Artist in Residence“. Zum Auftakt gab es Barockmusik.
Man muss nicht bis in die griechische Mythologie zum Künstler von Zypern zurückgehen: „Pygmalion“ nannte Raphaël Pichon sein 2006 gegründetes Ensemble für historische Aufführungspraxis. In der Essener Philharmonie ist der Spezialist in Sachen Alter Musik in dieser Saison „Artist in Residence“. Wiewohl sich seine Konzertreihe hier bis zu Brahms und Mahler erstreckt, widmete er den Eröffnungsabend ganz der Barockmusik, die ihn – nicht zuletzt als gelernten Countertenor – besonders fasziniert.
Mit Arien, Kantaten und Instrumentalwerken von Bach und Händel gab Pichon den Grenzgänger zwischen weltlicher und geistlicher Musik, zwischen Oper und Oratorium. Bekanntlich waren ja beide Komponisten nicht zimperlich beim Recyceln ihrer Stücke durch geänderte Textunterlegung. Doch auch unter ihnen wies der 37-jährige Dirigent erstaunliche Affinitäten nach. Wenn er etwa an ein Rezitativ aus der Kantate „Ich habe genug“ (BWV 82) direkt die Händel-Arie „Tu del ciel ministro eletto“ aus „Il trionfo del tempo e del disinganno“ anschloss, wirkte das wie eine Fortsetzung aus Bachs Feder.
„Pygmalion“ nennt Raphaël Pichon sein Ensemble für historische Aufführungspraxis
Pygmalion seinerseits stürzte sich mit apart aufgerautem Klangbild ebenso vehement in Händels Oratorium wie in Bachs Kantaten-Sinfonia (BWV 146). Das war Barockmusizieren mit jugendlich-frischem Wind, gegen jede Patina gebürstet. Und die exzellenten Instrumentalsolisten (Oboe!) standen zuverlässig an der Seite von Sabine Devieihe, die gleich zu Beginn und nicht etwa als effektheischende Schlusskrönung das Koloraturfeuerwerk der Belezza zündete. Die rundum überragende Sopranistin muss nicht nur über Gummibänder in der Kehle verfügen, sondern verlieh dank ihrer sublimen Gesangskultur auch dem überwiegend getragenen Passionston der Arien tiefen Ausdruck und sonoren Körper. Jubel und Standing Ovations am Ende.
Nächstes Konzert: Brahms „Ein Deutsches Requiem“ am 20.11., Philharmonie Essen