Düsseldorf. Sibylle Bergs „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“ am Düsseldorfer Schauspielhaus erzählt großartig und kurzweilig vom Geschlechterdilemma.

Kein Sex ist auch keine Lösung. So, wie einst der Grieche Aristophanes im Drama „Lysistrata“ die Frauen in den Verkehr-Streik schickte, um den Krieg zwischen Sparta und Athen zu beenden, nutzt Sibylle Berg das ultimative Machtinstrument, um den Kampf der Geschlechter zu beenden. Und dreht den modernen Elternzeit-Männern das Testosteron ab, bis sie zwischen Babybrei und Windelwickeln wie von selbst keine Lust mehr haben auf die andere Hälfte der Menschheit, die sie ob ihrer schrillen Stimmen ohnehin nie leiden konnten. Nur: Ist die Welt jetzt besser?

„In den Gärten – Lysistrata Teil 2“, ein Auftragswerk für das Theater Basel und jetzt am Düsseldorfer Schauspielhaus von Christina Tscharyiski auf die Bühne gebracht, gibt eine ziemlich eindeutige Antwort: Nö, ist sie nicht. Etwas anderes war auch kaum zu erwarten. Die Schriftstellerin Sibylle Berg, 1962 in Weimar geboren und heute in Zürich daheim, hat seit ihrem Debüt- und Erfolgsroman „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ von 1997 das Prinzip der ironischen Gegenwartsdiagnostik verschärft zum oft bitterbösen literarischen Rundumschlag gegen Männlein, Weiblein und die Welt im allgemeinen; ihre Bühnenstücke und Romane wurden mehrfach ausgezeichnet, 2019 erhielt sie für ihren Roman „GRM Brainfuck“ den Schweizer Buchpreis.

Regisseurin Christina Tscharyiski bringt Bergs „Lysistrata“ auf die Bühne

Dass Frauen wohl kaum die besseren Menschen sind und eine Gesellschaft ohne Männer, ohne die Polarität der Geschlechter sich doch nur ganz dem kapitalistischen Höher, Schneller, Weiter hingibt: Das ist Anfang und Ende und Erkenntnis dieses mit 1 Stunde 15 kurzen und überaus kurzweiligen Abends. Ein Museumsrundgang durch die alte Welt wird auf der schlichten, aber videobildstarken Bühne von Dominique Wiesbauer zum Stationendrama, in dem drei Lysistratas (Cennet Rüya Voß, Friederike Wagner, Hanna Werth) auf drei Männer treffen (Florian Lange, Jonas Friedrich Leonhardi, Florian Mania), die alle gleich sind. „Ich heiße Bernd!“, sagen die drei: „Hallo Bernd“ lautete das Frauen-Echo. „Ich habe ein Glied“ – „Hallo Glied!“.

Auch wenn das chorische Sprechen nicht immer ganz sauber gerät, das Singen und Tanzen gelingt umso mitreißender, ebenso das Säuseln von gereimten Gedichten mit dem Tiefgang einer Schlagerhymne (Musik: Sven Daniel Bühler). Ob es um das fantasielose Grauen der Missionarsstellung geht oder um das Pakete-Bestellen als letzten Anflug von Selbstwirksamkeit, um den hoffnungsfrohen Holztisch als Symbol für Familienträume oder den obligatorischen Labradorwelpen am Fuße von Hochglanz-Küchen – kein Schritt auf dem Weg vom unglücklichen Singledasein zum unglücklichen Ehedasein bleibt in dieser musealen Revue unkommentiert.

Das Dilemma der modernen Frau: „Ich trage ständig innerliche Schürzen.“

Nichts ist echt, nicht die koketten Pferdeschwänze der Lysistratas noch der federnde Gang der Bernds, die als alte weiße Männer standesgemäß eingestaubt sind (Kostüme: Svenja Gassen). „Wir performen eine innere Verletzlichkeit“, klagt Bernd, der sich rundheraus falsch verstanden fühlt: „Als ob mein Penis mich mit der internationalen Finanzelite verbinden würde!“ Ebenso verzweifelt aber ist Lysistrata in ihrem Versuch, „meinen Körper in den Zustand optimaler Begattbarkeit zu bringen“ und zugleich eine gute Hausfrau zu sein: „Ich trage ständig innerliche Schürzen.“

Und wenn dann Bernd am Ende auf dem Spiele-Teppich sitzt und nur noch mit leiser, sanfter Stimme spricht, um den Nachwuchs nicht zu wecken: Dann ist das so auf den Punkt gebracht und gespielt, dass sich die vielen kleinen Bissigkeiten zu einem großen und großartigen Abend über das Geschlechterdilemma fügen.

Termine: dhaus.de