Essen. Ob es sein letzter Film wird? Jedenfalls legt Clint Eastwood mit 91 nochmal ein richtig starkes Stück Kino vor: „Cry Macho“

Der Abstieg vollzog sich zuletzt immer schneller. Jetzt steht der einst gefeierte Rodeoreiter und Pferdezüchter Mike Milo abgehalftert vor den Scherben seiner Karriere und damit seines Lebens. Den letzten Schritt in die Selbstverachtung verhindert der Anruf eines alten Freundes. Der verspürt Sehnsucht nach seinem Sohn. Milo soll nach Mexiko fahren und den mittlerweile 14-Jährigen den Krallen seiner Mutter entreißen, die den Jungen auch zur Prostitution zwingt.

Als Mike das erste Mal auf Rafo (Eduardo Minett) trifft, stachelt der gerade seinen Hahn, den er Macho nennt, für einen Kampf auf. Die schnörkellose, oftmals brüske Art des alten Gringos lässt Rafo Vertrauen zu Mike fassen. Die Fahrt zurück zur Grenze ist jedoch knifflig, denn überall lauern Verfolger, Polizei und Diebe. In der Taverna der Witwe Marta (Natalia Traven) finden sie Unterschlupf.

Clint Eastwood ist ein Phänomen, auch in „Cry Macho“ übernahm er Regie, Hauptrolle, Produktion

Clint Eastwood ist Star, Legende, vor allem aber ein Phänomen. Mit 91 legt er nun seinen 39. Kinofilm als Regisseur vor, zeichnet dabei auch als Produzent verantwortlich, und er spielt die Hauptrolle. Natürlich sind seine Züge mittlerweile arg verwittert, sein Rücken ist so gekrümmt wie die Knie, die (Original)-Stimme röchelt heiser. Und doch hat der Mann immer noch eine Ausstrahlung, die ebenso störrisch wie aufrecht und damit so unverrückbar amerikanisch ist, wie es ein Relikt des Hollywood-Kinos aus dem 20. Jahrhundert nur sein kann.

Eastwood verkörpert konservative Werte, da steht er John Wayne oder Charlton Heston in nichts nach, und wie Sam Peckinpah hat er einen klaren Blick für standfeste und für windige Charaktere; egal woher die gerade kommen. Und so zeigt er als Regisseur und Darsteller offene Verachtung für das gierige Mexiko in Gestalt korrupter Cops, brutaler Handlanger und neureicher Huren, beweist aber auch alle Herzenswärme für die aufrechten, gottesfürchtigen Charaktere und vor allem für die erotisch aparte Natalia Traven, die nicht zufällig den gleichen Typ Frau verkörpert, dem Eastwood schon 1997 (damals Wanda de Jesus) in „Absolute Power“ huldigte. Wie vor zwei Jahren „The Mule“ ist nun auch „Cry Macho“, der jetzt in unsere Kinos kommt zuerst und vor allem ein Roadmovie, das der Weite der Landschaft und des Lagerfeuers unter freiem Himmels gewidmet ist.

„Cry Macho“ bedeutet auch: Ein alter Wolf zeigt Gefühle

Die Handlung, basierend auf einem hierzulande nicht veröffentlichten Roman Richard Nashs, ist nebensächlich. Es geht darum, dass Männer, egal welchen Alters, ihren Mann stehen. Eastwood, der unerschütterliche Gringo, bricht dabei endgültig mit dem Image des alten Wolfs. Er zeigt Gefühle, verliebt sich, er tanzt sogar. Wer hätte gedacht, dass er zu so viel Größe finden könnte – und dabei einen derart unterhaltsamen Film realisiert?