Recklinghausen. Zwei Väter arbeiten die Katastrophe von „Bataclan“ auf: Die Chance zu großem Bühnenstoff bleibt am Westfälischen Landestheater ungenutzt.

Zwei verzweifelte Väter, durch eine unbeschreibliche Tragödie getrennt und zugleich vereint, finden über die Aussprache einen Weg aus ihrem Seelendunkel. Zwei Jahre nach den schrecklichen Terroranschlägen auf das Stade de France, das Bataclan und umliegende Bars in Paris, bei denen 130 junge Menschen starben, suchte der algerisch-stämmige Azdyne Amimour Kontakt zu Hinterbliebenen.

Sein von der Polizei getöteter Sohn Sami war einer der Attentäter. Der einzige, der auf die Gesprächsbitte einging, war George Salines, dessen Tochter Lola zu den Opfern gehörte. Der Austausch, das Sich-Öffnen, der Kampf mit den quälenden Erinnerungen, die Annäherung muss beide Väter unvorstellbare Anstrengungen gekostet haben, doch der schmerzliche Prozess war letztlich erfolgreich. 2020 erschien ihr (noch nicht ins Deutsche übersetzte) Buch „Il nous reste les mots“ – ein Dokument menschlicher Tragik, das zugleich die tröstliche Botschaft von Versöhnung, Hoffnung, Zuversicht verkündet.

Das kann durchaus großer Bühnenstoff sein. Doch die von Christian Scholze auf Grundlage der englischen Buchausgabe erarbeitete Fassung „Wir haben Worte“, die Ralf Ebeling für das WLT eingerichtet und im Festspielhaus Recklinghausen zur Uraufführung gebracht hat, lässt den Zuschauer erschreckend unberührt. In 75 Minuten und drei Kurz-Akten (Kennenlernen, Annäherung, Freundschaft) werden Verzweiflung, Verständnislosigkeit, Schuldselbstzuweisung, werden all die unerträglichen Seelenqualen eher sachlich abgehandelt. Von der ungeheuren Emotionalität der Vorlage, die Scholz zweifellos in seinen Text übertragen wollte, bleibt leider nicht viel.

Ruckzuck, und die Aufarbeitung ist durch, man ist Freund und per Du. Befremdlich ist auch, dass die beiden schwarz gekleideten Gast-Schauspieler entweder wenig gefordert sind oder an ihre Grenzen stoßen. Neven Nöthig (Salines) und Wolfgang Wirringa (Amimour), die beim Frage-Antwort-Spiel vor schwarzem Hintergrund mal sitzen, mal stehen, referieren beinahe distanziert über die Abgründe ihrer Gedanken- und Empfindungswelt, statt diese nachvollziehbar zu durchleben. Termin-Info unter:
westfaelisches-landestheater.de