Moers. Das Schlosstheater Moers ist in die neue Spielzeit gestartet – mit einer spektakulären Inszenierung von Georg Büchners Drama „Dantons Tod“.
Man kennt sie noch von alten Kirmessen, diese rotierenden Plattformen, auf denen man sich wegen der erzeugten Fliehkraft kaum halten, geschweige denn frei bewegen konnte. Am Schlosstheater, wo Intendant Ulrich Greb mit seiner spektakulären Inszenierung von Georg Büchners Drama „Dantons Tod“ über die Endphase der französischen Revolution in die Spielzeit startet, ist eine solche Drehscheibe (Bühne: Birgit Angele) die zentrale Spielstätte. Doch hier sind es nicht die klaren Gesetze der Physik, vielmehr die unkalkulierbaren der menschlichen Natur, die alle Figuren, und damit die Welt, immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen.
Greb und Dramaturgin Sandra Höhne haben Büchners Personage auf vier Protagonisten reduziert: Auf die Revolutionsführer Danton (Emily Klinge) und Robespierre (Roman Mucha), auf Dantons Freund und Weggenossen Desmoulins (Georg Grohmann) und auf Robespierres Chefstrategen, den Hardliner St. Just (Joanne Gläsel); dazu kommt Matthias Heße, der die Prostituierte Marion spielt, aber auch dem „Volk“ seine Stimme gibt.
Krampfhafte Suche nach Halt und Orientierung
Anfangs sieht man nur die zappelnden Beine der Fünf, die – wie Marionetten in ihren Halterungen hängend – hinter einer Wand auf ihren Einsatz zu warten scheinen; wie mechanische Gliederpuppen tapsen sie schließlich auf die Drehscheibe, stolpern, stürzen, wälzen sich wie in Todeszuckungen, richten sich wieder auf, suchen krampfhaft nach Halt und Orientierung, bis sie endlich Gestalt annehmen, Haltung zeigen.
In einer beklemmenden Szene beklagt ein verzweifelter Vater (Heße), dass seine Tochter den Unterhalt der Familie nur durch Prostitution sichern kann, und dann ist klar: Weder der liberale, bürgerlich-saturierte Danton, der nach den bisherigen Gräueln nur noch seine Ruhe haben und das Volk gleichsam nach seiner Fasson glücklich werden lassen will, noch der fanatische Robespierre, der in seiner Hingabe an „die Sache“ (welche Sache) der Revolution über Leichen geht und dabei von St. Just noch bestärkt wird, haben die Nöte und grundlegenden Bedürfnisse der Menschen wirklich im Blick.
„Es lebe Robespierre, nieder mit Danton“
Das macht das „Volk“ umso interessanter. Verzweifelte Menschen sind empfänglicher für radikale Botschaften, neigen zu einer „starken“ Führung. „Es lebe Robespierre, nieder mit Danton“ postuliert Heße. In einer überwältigen Choreografie säumen dann Dutzende von kleinen Spielzeug-Hamstern die Scheibe; mit quäkender Lautsprecherstimme repetieren die gleichgeschalteten Menschen-Hamster, die von Robespierre irgendwann wieder eingesammelt, weggeräumt werden, den Slogan von einer Menschheit, die „mit großen Schritten ihrer hohen Bestimmung entgegen“ geht. Auch nach Dantons Tod dreht sich das Rad, die Scheibe der Geschichte weiter.
Wer aber eigentlich ist „das Volk“? Wenn Heße am Ende so kraftvoll wie besessen die Fahne des Triumphes schwingt, ahnt man nichts Gutes.
Termine: 12.9. (18 Uhr); 17. u. 24.9; 2.u. 8. 10. (19.30 Uhr). Tel. 02841-88 885 448