Moskau. Sein Leben prägte der berühmte Vater: Der russische Geiger Igor Oistrach, der „ewige Sohn“, ist im Alter von 90 Jahren in Moskau gestorben.
Dass sein Tod im Westen erst nach zwei Wochen zur Kenntnis genommen wurde, entspricht der bizarren Biografie des Musikers, der zeitlebens mit dem Segen und Fluch eines berühmten Vaters zu kämpfen hatte. Igor Oistrach erbte das phänomenale Talent seines Vaters David. Dessen legendärer Ruhm öffnete ihm manche Tür. Doch so verbissen Igor darum rang, aus dem Schatten seines übermächtigen Vaters herauszutreten, konnte er doch bis zu seinem Tod die Rolle des „ewigen Sohnes“ nicht abstreifen.
Ohne David Oistrach wäre die Karriere des mental so verschieden gearteten Filius anders verlaufen. Der Papa gab dem Knirps den ersten Geigenunterricht, die ersten wichtigen Konzerte bestand er im Duett mit dem Vater und der Prinzipal schwang den Taktstock, als der Sohn in die Selbstständigkeit aufzubrechen begann. David Oistrach blieb bis zu dessen Tod 1974 die bestimmende Figur im Leben Igors. Die letzten Auftritte Igor Oistrachs ließen kaum mehr erkennen, dass es sich einst um eine ausgeprägte Künstlerpersönlichkeit handelte, dessen Karriere ohne den Einfluss des Vaters sicher langsamer, aber möglicherweise dauerhafter verlaufen wäre. Seit 1996 widmete er sich vornehmlich seiner Professur am Brüsseler Konservatorium.
Als Student einen Preis nach dem anderen abgeräumt
Geboren in Odessa, ging Igor als Student an das Moskauer Konservatorium, wo er einen Preis nach dem anderen abräumte. Auf den Fußspuren des Vaters wandelnd, öffneten sich ihm die Tore der Welt. Dass er einen eleganteren, leichteren Ton pflegte als sein Vater, reichte nicht aus, um den Eigenwert des Musikers zu akzeptieren. Die Last der Familienbande reicht über Igor Oistrach hinaus. Als dessen Sohn Valerie, der mittlerweile eine Karriere als Bratschist eingeschlagen hat, an einem Wettbewerb teilnahm, wurde er als Sohn des Igor Davidowitsch Oistrach angekündigt, dem Enkel David Fedorowitsch Oistrachs. Jetzt ist Igor Oistrach im Alter von 90 Jahren in Moskau gestorben.