An Rhein und Ruhr. Detlef Buck bringt „Felix Krull“ auf die Leinwand. Mit großer Ausstattung, großen Namen und großen Bildern. Dennoch ist der Film eher gediegen.
Die entscheidende Szene ist natürlich die Musterungsszene – auch in dieser aktuellsten filmischen Umsetzung der „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von Detlev Buck. Und ja: hier gelingt, was er sonst im Film nur versucht: der spielerische, innovative Umgang mit dem Original und den diversen Verfilmungen.
Felix Krull – gespielt vom glänzend auflegten Jannis Niewöhner – will wie weiland Horst Buchholz sich per epileptischem Anfall als Untauglicher der Dienstpflicht im preußischen Heer entledigen. Und muss erleben, dass der Musterungskandidat vor ihm einen epileptischen Anfall simuliert – und ausgelacht wird vom Heeresmedizinalrat, den niemand anderer spielt als Detlev Buck selbst. Felix Krull zieht sich in der 2021er Fassung dadurch aus der Affäre, dass er einen so martialischen Nationalismus an den Tag legt, dass es dem Medizinalrat zu bunt wird.
Böse formuliert: der kleine Auftritt von Detlev Buck ist die stärkere Leistung in dem Film, der durch großartige Darsteller überzeugt, mit schwelgerischer Ausstattung prunkt und guten Text liefert. Wo Thomas Mann den nicht parat hält, hilft Daniel Kehlmann aus. Und dennoch stellt man sich nach zwei Stunden bunter Unterhaltung unwillkürlich die Frage: Wozu das alles?
Buck wagt nicht, was Felix Krull ständig tut: Hochstapeln
Denn wenn Buck eines nicht kann, ist es genau das, was Felix Krull tut: Hochstapeln, etwas riskieren, um das Risiko des Auffliegens und Scheiterns. Buck und Kehlmann haben dem Film jedes Risiko ausgetrieben, die Handlung geglättet, die Geschichte vereinfacht. Aus dem Grand Hotel in Paris, in dem Felix Krull als Liftboy beginnt und sich ganz nach oben schlawinert, ist eine luxuriöse Variante der Männerpension geworden.
Die Krullsche Vorgeschichte: der Niedergang der Champagnerfirma im heimischen Rheingau, sie wird eingebunden in ein Plauderstündchen zwischen Krull und seinem Gegenspieler, dem etwas überbetont naiven Graf Venosta (David Kross), die beide um das Herz der gleichen Frau Zaza (Liv Liza Fries) kämpfen, eine simple Menage a trois also in diesem von Regensburg überzeugend dargestellten Paris.
Doch Kunst muss Spuren der Gegenwart tragen, sonst ist es bloß Handwerk. Gediegen, zweifelsohne, aber risikofrei. Leider verspielt Buck auch die Option, aus dem Grand Hotel einen überdrehten Puppenstuben-Mikrokosmos wie das Grand Budapest Hotel von Wes Anderson zu machen. Oder herauszuarbeiten, dass sich eigentlich Felix und seine schöne Zaza gleichermaßen prostituieren, um nach oben zu kommen. Gleichwohl, den beiden zuzusehen, wie sie beispielsweise die Musterungsszene proben und spielen – das ist ein großes Vergnügen und so retten sie weite Teile des Films.
Prominente, die nur wegen ihrer Prominenz prominent sind
Und es stecken in den schön bunt gefärbten Bildern von Bucks „Bibi & Tina“-Kameramann Marc Achenbach durchaus Optionen, das 70 Jahre alte Romanfragment in die Gegenwart zu holen. Gleich zu Anfang steckt Felix Krull einem jungen, bettelnden Mädchen ein Goldstück zu und rät ihm, wegzulaufen, um nicht von den vielen anderen bettelnden Kindern seiner einmaligen Chance beraubt zu werden. Modern gewandet zeigt die Geschichte von Felix Krull durchaus, dass Kleider Leute machen, dass es vor allem Beziehungen sind, die den Weg nach oben ebnen und dass man spielen muss, was man sein möchte, so lange wie man es geworden ist. Ein aktuelles Thema eigentlich, wo unsere Gegenwart doch zunehmend von Prominenten bevölkert wird, deren Kompetenz nichts als das prominent sein ist – was ist das anderes als Hochstapelei?
Joachim Król spielt den Professor Kuckuck, Désirée Nosbusch dessen Gattin, Annette Frier die Mutter, Dominique Horwitz den Portier, Desiree Nosbusch die Mutter der nächsten Krull-Liebschaft in Portugal, wo die Audienz beim dortigen König (Christian Friedell) noch einmal ein echtes, filmisches, schelmisches Vergnügen ist in dieser Nummernrevue der großen Namen der deutschen Schauspielerei. Es spielt also, was Rang und Namen hat.
Es spielt, was Rang und Namen hat. Und mancher Ofczarek brilliert
Indes: Der Film verliert sich in der Opulenz der Ausstattung und Kostüme, der gediegenen Schauspielkunst, die einmal mehr Maria Furtwängler (als liebeshungrige Gattin des Sanitärfabrikanten Houpflé) und Joachim Król an den Tag legen, genauso wie Annette Frier als Mutter Krull und Dominique Horwitz als Portier. Es brilliert Nicholas Ofczareks als abgrundböser Mario Adorf, der hier den Ganoven Stanko spielt, im Grand Hotel ganz oben die finstere Autorität ist, die von der Erpressung der Angestellten lebt und dann über einen fingierten Missbrauchsskandal fällt. Die Erleichterung darüber, dass hier der Bösewicht in den Abgrund stürzt, überspielt den Umstand, dass auch hier die Reichen auf der guten Seite den Prinz des Bösen zurück in die Gosse stürzen.
Immerhin: Es gelingt eine wirklich berührende Verbeugung vor Thomas Mann, dessen alter ego Lord Kilmarnock (Anian Zollner) in seiner Einsamkeit vergeblich um den schönen Krull wirbt. Der lehnt die Liebschaft mit dem alten Herrn ab, ahnend, dass Geld allein nicht glücklich macht, sondern das Spiel. Das Schicksal will es, dass Geld allein auch keine guten Filme macht.