Bochum. Ruhrtriennale-Intendantin Barbara Frey zeigt ihr Zürcher Joyce-Projekt „Die Toten“ von 2019 in Bochums Jahrhunderthalle als melodisches Kunstwerk.

„Langsam schwand seine Seele, während er den Schnee leise durch das Universum fallen hörte, gleichsam wie beim Herabstieg ihrer letzten Stunde leise herabfallen hörte auf alle Lebenden und Toten.“ Wenn die Schlusszeilen aus der Erzählung „Die Toten“ fallen, wenn Gabriel Conroy von der Erkenntnis überwältigt ist, dass Ehefrau Greta nie ihn, sondern einzig ihren mit 17 gestorbenen Jugendfreund Michael Furey geliebt hat, dann sind wir James Joyce ganz nah.

Dann verspüren wir vielleicht das Bedürfnis, diese Story seiner Novellensammlung „Dubliner“ über Menschen in der irischen Hauptstadt Anfang des 20. Jahrhunderts wieder einmal zu lesen. Denn letztlich gelingt Triennale-Intendantin Barbara Frey in ihrem Joyce-Projekt, mit dem sie 2019 ihren Abschied vom Schauspielhaus Zürich gab und das jetzt in Originaleinrichtung in der Jahrhunderthalle zu sehen ist, genau das nicht: Joyce wirklich nahe zu bringen.

Die Tribünen bebten unter dem Getrampel der Begeisterung für Freys Inszenierung

Die Freunde und Angehörigen, die sich in „Die Toten“ am Epiphanias-Tag zum alljährlichen Festessen im Haus der Schwestern Morkan versammeln und die von der Last erinnerter Vergangenheit und vom Geist der Toten wie paralysiert sind, lassen sich kaum ausmachen. Wie überhaupt von Joyce’ revolutionärem Ansatz, scheinbar planlos und ohne große dramatische Akzente, dabei schmerzhaft realistisch in Sprache und Personenzeichnung, normale Menschen in Momenten wirkungsmächtiger Selbsterkenntnis zu zeigen, wenig bleibt.

Dass die Aufführung frenetisch gefeiert wurde (die Tribünen bebten unter dem Getrampel der Begeisterung), ist verständlich. In Martin Zehetgrubers drehbarer Bühnen-Gruft legt Frey die um Texte aus „Ulysses“ und „Finnegans Wake“ erweiterte Geschichte als überwältigendes Oratorium an, setzt allein auf Rhythmus und Melodik der Sprache. Alles, was sechs Schwarzgewandete zu sagen haben, wird eher gesungen, jeder Gesang ist (mehrstimmiger) Sprechgesang. Das ist mitreißend eingerichtet, wird vom Ensemble grandios umgesetzt. Doch in seiner Intellektualität ist das auch von jener Kunstfertigkeit, die dem Künstlichen nahe- und der Normalität von Joyce entgegensteht.

Termine: 3./4. 9. (20 Uhr); 5. 9. (18 Uhr). Karten: Tel. 0221 - 280210