Essen. Sein Leben war Musik – und der Widerstand: Im Alter von 96 Jahren starb der griechische Komponist Mikis Theodorakis am Donnerstag in Athen.
Geradezu animalische Lebensfreude strahlt Anthony Quinn aus, wenn er als „Alexis Sorbas“ den Sirtaki tanzt. So lieben wir das sonnige Griechenland. Doch gerade dieser Hit spiegelt das von extremen Höhen und Tiefen geprägte Leben des Komponisten Mikis Theodorakis in ernüchternder Eindringlichkeit wieder. „Alexis Sorbas“ machte Theodorakis 1964 weltberühmt, drei Jahre später tanzte er ihn selbst: in einer kleinen Gefängniszelle, um gegen die eisige Kälte griechischer Kerkernächte anzukämpfen. Mit ihren Wechselbädern zwischen kultischer Verehrung und brutaler Unterdrückung ähnelt Theodorakis Biografie entfernt der Nelson Mandelas.
Vor 26 Jahren wunderte sich Theodorakis in einem Interview, dass er, der seit seiner Jugend wiederholt gefoltert und eingesperrt wurde, der im Gefängnis an Tuberkulose erkrankte, dass er, der ebenso sensible wie unbeugsame Widerstandskämpfer, überhaupt seinen 70. Geburtstag erleben durfte. Jetzt ist die „Stimme Griechenlands“ im Alter von 96 Jahren gestorben.
Für Mikis Theodorakis ging es stets um die kulturelle Identität
So sehr seine folkloristich gefärbte Musik über Griechenland hinauswirkte: Für ihn ging es stets um die kulturelle Identität und politische Selbstbestimmung seines Heimatlandes. Mit 18 Jahren wurde er zum ersten Mal gefoltert, von den Faschisten. Nach dem Krieg sperrten ihn die Engländer ein. Und nach einer Periode relativer Freiheit verbrachte er drei Jahre in den „Schlachthäusern“ der griechischen Putschisten-Junta. 1970 ging er ins französische Exil, um bei Olivier Messiaen zu studieren. Hier entstand sein „Canto General“, sein Freiheits-Credo nach Texten von Pablo Neruda. Das Ansehen von Theodorakis und seiner künstlerisch-politischen Weggefährtin Melina Mercouri in Griechenland nahm kultische Dimensionen an. Von 1990 bis 1992 wirkte er sogar als Staatsminister.
Dass ihn eine prominente Jury unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Kostas Simitis für den Friedensnobelpreis vorschlug, verwundert nicht. Und überall, wo Unrecht auftritt, erhob Theodorakis seine Stimme. Er setzte sich für die Aussöhnung von Griechen und Türken ein, er richtete leidenschaftliche Appelle gegen den Einsatz der NATO-Truppen im Kosovo. Haltungen, die ihm nicht nur Freunde einbrachten.
Er nutzt seine umfangreiche Homepage, um gegen Unrecht und Terror zu kämpfen
So untrennbar Theodorakis’ Schaffen mit seiner politischen Signalwirkung verbunden ist, so klein ist der Anteil direkt politisch motivierter Musik in seinem gewaltigen Oeuvre.
Zunehmend widmete er sich klassischen Gattungen wie der Symphonik oder der Oper. Mit strengen Vertonungen der nahezu ungekürzten Tragödien „Medea“, „Elektra“ und „Antigone“ ging Theodorakis zu den Wurzeln der griechischen Kultur zurück. Auch wenn er in den letzten Jahren nicht mehr öffentlich aufgetreten ist, nutzte er seine umfangreiche Homepage, um gegen Unrecht und Terror zu kämpfen. 2012 noch nahm er, im Rollstuhl sitzend, in Athen an einer Demonstration gegen die „Troika“ teil. Dabei wurde er durch Tränengas schwer verletzt, woran er noch bis zuletzt litt.