Essen. Guy Ritchie und M. Night Shyamalan gehören zu den großen Regiesseuren. Ihre neuen Filme machen Spaß, mehr aber nicht. Anders: „Die Adern der Welt“.
Wenn es so etwas gibt wie gelungene Enttäuschungen, dann sind Guy Ritchie und M. Night Shyamalan genau solche gelungen. Ihre beiden neuen Filme starten jetzt parallel in den Kinos. Was nichts macht, weil die Genres hinreichend unterschiedlich sind. Hier der neue Thriller von Ritchie, dort der neue Horror von Shyamalan. Doch leider wirken beide Filme eher alt.
Guy Ritchies neuer Film heißt – kein Witz! – auf Deutsch „Cash Truck“. Und im Original „Wrath of Man“. Was am Thema des Films deutlich näher dran ist. Es geht um zornige Menschen. Wenn man denn überhaupt neben dem mit toxischer Männlichkeit bis zum Rand gefüllten Film voller Kämpfe mit Worten und Waffen einen Hintersinn suchen möchte, dann als Studie über Zorn und Rachlust.
Im Vordergrund steht der niemals lächelnde Jason Statham, der bei einer Geldtransportfirma anheuert, obwohl er da niemandem geheuer ist: Ein komischer Engländer in Los Angeles. Hinzu kommt: Cineasten wissen: Noch nie rollte auf der Leinwand ein Geldtransporter unüberfallen ans Ziel.
Der Cash-Track ist besonders gelungen beim Cash-Truck
Doch der Neue, der sich kurz und geheimnisvoll „H“ (also: Aitsch) nennt, vereitelt zweimal kurz hintereinander Überfälle auf Trucks, in denen er als Beifahrer sitzt. „H steht für Held“, mutmaßen seine Kollegen, aber sympathisch macht das den immer noch Fremden nicht.
Guy Ritchies Remake eines französischen Thrillers von 2004 (der hieß hierzulande ebenfalls „Cash Track“, im französischen indes „Der Beifahrer“ hieß) ist in vielerlei Hinsicht klassisch. Drei Akte, mit Zwischentiteln eingeleitet, Action-Szene noch vor dem Vorspann, knappe pointensichere Dialoge. Dazu bis in die Nebenrollen hinein gut besetzt, so dass Statham fortwährend an die Wand gespielt wird und man sich fragt, was wohl ein Charakterdarsteller aus der Rolle herausgeholt hätte.
Dazu jede Menge Schusswaffen, deren Größe und Kaliber im Laufe des Films immer weiter zunehmen. Die düstere Handlung im sonnigen Los Angeles – die Stadt spielt mit ihren harten Kontrasten und ihrer Skyline eine beachtliche Nebenrolle – wird unterstrichen durch einen eindrucksvollen Soundtrack mit, unter anderem, einem dramatisch verfremdeten Johnny Cash (!)-Track.
Nein, der flachen Witz, dass der Cash-Track das beste am Cash-Truck ist, wird dem Film, der kein bisschen Ironie und Witz mitbringt, nicht gerecht. Aber anders als in seinem zurecht gefeierten Vorgängerfilm „Gentleman“ spielt Ritchie hier nicht mit den Klischees, er bricht sie nicht, sondern zieht alles in B-Macho-Moviemanier bis zum bitteren Ende durch. Die Trivialität der Rachestory wird ein wenig gebrochen durch die verschachtelte Konstruktion, die den ersten Überfall aus drei Perspektiven – schöne Grüße an Tarantinos „Pulp Fiction“, drei Etagen weiter oben.
Shyamalan mischt Twilight Zone mit Agatha Christie
Auch M. Night Shyamalan gehört mit „Unbreakable“ und „The Sixth Sense“ zu den großen Regiehoffnungen und arbeitete sich in den letzten Jahren eher durchs Mittelfeld des Erfolgs mit düsteren, oft ins Comichafte überzeichneten Gruselstorys. Nach dem Erfolg von „Glass“ vor zwei Jahren bringt er nun „Old“ in die Kinos – und auch er liefert eher solides für sein Genre als einen neuen Meilenstein.
Er liefert die klassische Geschichte vom Paradies, das zur Hölle wird. Eine vierköpfige Familie, Papa Guy, Mama Prisca, Tochter Maddox und Sohn Trent will am idyllischen Südseestrand die kleineren Krisen für ein paar Tage vergessen. Der schmierige Hotelmanager lässt sie an einen Traumstrand bringen. Dort versammelt sich ein schräges Ensemble: Der Starchirurg, seine Freundin, seine Mutter und sein Töchterlein, dazu ein Krankenpfleger und seine Partnerin mit Krampfleiden. Am Strand treffen sie sehr zur Freude von Tochter Meddox den Rapper Mid Sized Sedan – und kurz darauf auf dessen allerdings leider schon ertrunkene Freundin.
Mit dem Leichenfund und der Feststellung, dass es nicht möglich ist vom Strand zu entkommen oder per Handy Hilfe zu rufen, beginnt alsbald der klassische Bodycount: Es trifft erst den Hund, dann die Mutter des immer verrückter werdenden Starchirurgen. Ein merkwürdiger Alterungsprozess greift um sich: die Kinder werden schnell erwachsen und die Erwachsenen schnell älter.
Das immer blutiger werdende Gemetzel mit einigen sehr hölzernen Dialogen – oh ja, das Leben ist manchmal wie ein einziger Tag – beginnt gerade ein bisschen sehr zu langweilen, als ein durchaus wirkungsvoller Plottwist die Zuschauenden weitgehend versöhnt.
Das ist ein bisschen Twilight-Zone und Agatha-Christie-mäßig aus dem Strohhut gezaubert, aber immerhin die Hälfte des schwindenden Ensembles in der Bucht weiß schauspielerisch zu überzeugen. Allen voran Vicky Krieps als Mutter Prisca, die gewissermaßen als Arthouse-Kino-Dame durch das Slasher-Movie stolziert.
Noch ein kleiner Spoiler zum Abschluss? Die Antwort auf die für die Filmhandlung sinnfreie Frage, die sich der Starchirurg (ebenfalls messerscharf gespielt von Rufus Sewell) immer wieder stellt, lautet: „Duell am Missouri“.
Die Mongolei sucht den Superstar – und findet Amra
Zu den positiven Überraschungen unter den Kinostarts zählt die mongolisch-deutsche Koproduktion „Die Adern der Welt“, eine berührende, aber niemals kitschige Familiengeschichte aus der Mongolei: Der junge Amra will bei „Die Mongolei sucht den Superstar“ groß rauskommen, obwohl er mitten im Nirgendwo in einer Nomadenfamlie lebt. Nebenbei muss er noch zur Schule gehen – und Geld verdienen.
Geschickt verwebt Regisseurin Byambasuren Davaa („Die Geschichte vom weinenden Kamel“) die Konflikte in der Familie mit der großindustriellen Ausbeutung der Bodenschätze in der Mongolei, die die Existenzen der Nomaden bedroht. Eine im Wortsinne tiefschürfende, stimmige Geschichte mit starken Laiendarstellern und einer eindrucksvollen Landschaft, die hier weit mehr ist als nur Kulisse.