Bochum. Steven Sloanes Jerusalem Symphony Orchestra und Elisabeth Leonskaja spielten im Rahmen des Klavier-Festivals im Anneliese-Brost Musikforum Bochum.

Es war ein Konzert, gespickt mit außergewöhnlichen Akzenten. Nicht nur, dass Steven Sloane, der als Chefdirigent der Bochumer Symphoniker 27 Jahre lang das musikalische Profil der Stadt wesentlich mitgeprägt hat, am Ende das ein oder andere Tränchen nicht unterdrücken konnte. Im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr nahm mit dem Jerusalem Symphony Orchestra das erste Gastorchester nach der kulturellen Auszeit Platz auf dem Podium des Anneliese-Brost Musikforums. Und das ohne Maske, ohne Mindestabstand und in einer üppigen Besetzung, mit der auch Igor Strawinskys „Feuervogel“-Suite in ungefilterter Pracht zum Klingen gebracht werden konnte.

Seit diesem Jahr ist Steven Sloane Chefdirigent des israelischen Orchesters und ist sich der kulturpolitischen Bedeutung seiner Aufgabe vollauf bewusst. Und sein Gastauftritt in dem schmucken Konzerthaus, für dessen Bau er sich jahrzehntelang eingesetzt hatte, schien das Publikum besonders zu berühren. Da rückte fast ein wenig aus dem Blickfeld, dass neben Sloane und dem Orchester ein weiterer Star zu Gast war: Die russische Pianistin Elisabeth Leonskaja, die mit ihrem 20. Auftritt beim Klavier-Festival ihre Position in der Stamm-Familie des Festivals ebenso zementieren konnte wie Steven Sloane, der sogar 22 Auftritte verbuchen kann.

Elisabeth Leonskaja ist spieltechnisch auch in ihrem 75. Lebensjahr frisch und akkurat

Wenn sie mit den israelischen Gästen einträchtig Beethovens 4. Klavierkonzert anstimmt, belegt sie, dass die humanen, alle politischen und religiösen Grenzen überwindenden Grundwerte der deutschen Kultur stärker und nachhaltiger wirken als alle rassistischen und antisemitischen Irrungen und Verbrechen. Elisabeth Leonskaja interpretierte das lyrisch gestimmte Werk, wie man es von ihr erwarten konnte: unprätentiös, uneitel, mit klarem Anschlag und natürlicher Diktion, spieltechnisch auch in ihrem 75. Lebensjahr frisch und akkurat. Lediglich in den Tempi den Drive Sloanes bisweilen ein wenig abgeklärt bremsend.

Beethoven als Botschafter eines humanen Deutschlands gingen zwei Kompositionen israelischer Komponisten voraus, denen sich Sloane, der bereits in den 80er-Jahren zeitweise in Tel Aviv lebte, auch persönlich eng verbunden fühlt. So dem 1970 geborenen israelisch-palästinensischen Komponisten Samir Odeh-Tamimi mit einem schroffen, der harten Realität seiner Heimat zugewandten Stück für Streicher. Womit Sloane ähnliche Zeichen für eine Überwindung israelisch-palästinensischer Spannungen setzen möchte wie sein Kollege Daniel Barenboim. Arabisch kolorierte Akzente setzte zuvor auch der vor zwei Jahren verstorbene Altmeister der israelischen Musik, Noam Sheriff, mit seiner leuchtkräftigen Passacaglia „Akeda“ als Huldigung an Jitzchak Rabin.

Mit Strawinskys „Feuervogel“-Suite spielte das Jerusalemer Orchester zum Abschluss seine Qualitäten klang- und eindrucksvoll aus. Mit einer fast raumsprengenden Opulenz, wie man sie seit über einem Jahr nicht mehr Live erleben konnte.

Viel Beifall für ein Konzert der besonderen Art.