Essen. Bestseller-Autorin Juli Zeh reitet seit Kindertagen und bis heute – jetzt verrät sie in ihrem ersten Kinderbuch, wie man mit Pferden „spricht“.
Dass Schriftstellerin Juli Zeh etwas von Pferden versteht, wissen ihre Fans spätestens seit dem Dorfroman „Unterleuten“, der ihre brandenburgische Wahlheimat inklusive Pferdestall zum Schauplatz machte. Jetzt hat die Fachfrau einen Pferderoman für Kinder geschrieben: „Socke und Sophie“. Mit Britta Heidemann sprach die 46-Jährige über ihre große Leidenschaft.
Frau Zeh, welche Bedeutung haben Pferde für Sie?
Juli Zeh: Ich war schon als Kind begeistert von Pferden. Neben dem Schreiben stellen der Reitsport und der Umgang mit Pferden für mich die wichtigste Beschäftigung dar. Manchmal denke ich, wenn ich die Pferde nicht hätte, wüsste ich gar nicht, wie ich mit dem Stress des modernen Lebens, mit dem schwierigen Jonglieren zwischen Beruf und Familie zurechtkäme.
Im Buch geht es um die Kommunikation zwischen Mensch und Tier. Ist es tatsächlich so, dass schon unsere Körperhaltung beim Pferd eine Reaktion auslösen kann?
Es ist sogar so, dass schon die Blickrichtung des Menschen, die Art des Atmens und selbst die Frage, ob man nervös ist, vom Pferd interpretiert wird. Pferde können buchstäblich riechen, wie man sich fühlt, und sie ziehen ihre Schlüsse daraus. Als Herdentiere, die den ganzen Tag in lebhaftem Kontakt mit ihren Artgenossen stehen, sind sie Weltmeister der nonverbalen Kommunikation. Das Besondere ist, dass sie auch andere Lebewesen, zum Beispiel Menschen, aber auch Hunde, Schafe, Esel, Ziegen oder sogar eine Taube als mögliche „Gesprächspartner“ betrachten. Pferde versuchen immer zu verstehen, was ein anderes Wesen gerade ausdrückt.
Was haben Sie von der Kommunikation mit Pferden gelernt?
Man lernt, dass Verständigung tatsächlich möglich ist, auch wenn man grundverschieden ist – man kommt nicht nur aus verschiedenen Kulturkreisen oder Sprachräumen, wie das unter Menschen der Fall ist, sondern aus ganz anderen Lebenswelten. Wir teilen mit dem Pferd ja noch nicht mal unsere Körperlichkeit – sie stehen auf vier Beinen, wir auf zwei; sie können die Ohren anlegen, wenn sie wütend sind, das können wir nicht.
„Pferdemädchen“ sind ein modernes Phänomen, warum reiten heute so wenig Jungs?
Früher waren die Pferde für die Landwirtschaft da, für den Krieg und für das Reisen, was größtenteils alles „Männersache“ war. Erst seit Reiten ein Freizeitsport geworden ist, interessieren sich immer mehr Frauen dafür. Ich glaube, dass die hohe Empathie, die man dazu braucht, Frauen vielleicht klassischerweise mehr liegt. Vor allem sind es aber Modeerscheinungen. Jungs, die reiten, gelten nach wie vor nicht als „cool“. Das könnte sich jederzeit ändern, wenn wir kulturell nicht so verbohrt wären.
Das Tierwohl scheint den Menschen wichtiger zu werden. Wirkt sich das auf den Reitsport aus?
Da wurden in den letzten 40 Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Aber viele Pferde werden immer noch auf eine Weise geritten, die sie krank macht, bekommen falsches Futter oder stehen einen Großteil des Tages in der Box. Das grenzt an Tierquälerei, denn Pferde haben einen hohen Bewegungsdrang, und sie brauchen ihre Herde.
Wären sie als freie Herdentiere glücklicher?
Wenn man ein Pferd fragt, ob es geritten werden will oder lieber in der Steppe leben möchte, würde es sich wahrscheinlich für die Steppe entscheiden. Wobei ich da nicht ganz sicher bin, denn ein Leben in der Wildnis als Fluchttier, das von Fressfeinden bedroht wird und im Winter hungern muss, ist auch nicht immer ein Zuckerschlecken. Ich könnte es trotzdem verstehen, wenn jemand sagt, er lehnt das Reiten aus Tierschutzgründen total ab. Man kann aber den Reitsport tatsächlich so betreiben, dass es für das Pferd keine Belastung und vielleicht sogar manchmal ein Vergnügen ist.
Gibt es Pferdesportarten, die Sie persönlich ablehnen?
Spontan würde ich jetzt sagen, dass ich keine Freundin des Rennsports bin. Aber ich bin mir darüber bewusst, dass ich über diese Sportart nicht sehr viel weiß. Meine Schwerpunkte liegen auf gesunderhaltendem Pferdetraining, wie man es bei Dressur, Springen und auch im Westernsport braucht. Vielleicht könnte mir ein Rennsportexperte erklären, dass man auch auf der Galoppbahn schonend und artgerecht mit den Tieren umgehen kann.