Essen. Ein paar kleinere Experimente und sehr viel Billy F Gibbons: Auf seinem Soloalbum „Hardware“ zeigt sich der Sänger von ZZ Top in Sommerlaune.

Der Sänger und Gitarrist von ZZ Top, Billy F Gibbons, hat in der Wüste Kaliforniens sein neues Soloalbum eingespielt, und es klingt bestens: nach Sommer, Sonne und nach Bier.

Der Song, den man wohl am wenigsten von William Frederick Gibbons erwartet hätte, kommt ganz am Ende von „Hardware“, seinem auch mit zwölf Songs noch immer knackig-kompaktem dritten Soloalbum. „Desert High“ heißt das gute Stück, und es präsentiert einen Gibbons, der nicht etwa singt, sondern spricht. Mit sonorer, eindringlicher Stimme erzählt er zum zurückgelehnt-langsamem Blues vom Leben in der Wüste, den Tieren, der Landschaft, der Weite, der Hitze.

Dabei erinnert der Sänger und Gitarrist, dem man seine 71 Lebensjahre beim besten Willen nicht ansieht, an die spät im Leben aufgenommenen Glanzwerke einiger Kollegen, an Leonard Cohen, an Johnny Cash, auch an Jim Morrison und seine Doors. „Der Song ist ohne Frage nicht sehr typisch für mich und auch nicht typisch für „Hardware“, erklärt er. „Aber er fängt die Atmosphäre an diesem geheimnisvollen und knisternden Ort namens Wüste einfach ganz wunderbar ein.“

„Hardware“ entstand in der Wüste des kalifornischen Nationalparks Joshua Tree

„Hardware“ entstand im vergangenen Sommer ohne großen Vorlauf in der Wüste des kalifornischen Nationalparks Joshua Tree. Das „Escape“-Studio lässt von Privatkoch bis Yogalehrerin keine Wünsche offen, und doch bleibt Wildnis eben Wildnis, wie der in Las Vegas lebende Gibbons schmunzelnd erzählt. Stichwort: Klapperschlangen. „Die Tierchen waren überall. Kaum ein Tag verging, an dem wir nicht mindestens eine Schlange rund ums Haus gesehen haben. Es muss wohl gerade Brutsaison gewesen sein, denn viele waren noch sehr klein. Aber wie wir alle wissen, kennen kleine Schlangen noch nicht die Kraft ihres Giftes, deshalb muss man vor denen besonders aufpassen.“ Mit einem Eimer und einem dicken Stock machten sich Billy und seine vier Mitmusiker (darunter der von Guns’n’Roses bekannte Schlagzeuger Matt Sorum) und Co-Produzenten regelmäßig auf die Pirsch, fingen die Tiere ein und ließen sie ein paar hundert Meter weiter im Wüsteninneren wieder in die Freiheit.

Die Songs entstanden größtenteils erst in der Wüste selbst. Auf seinen ersten beiden Soloalben „The Big Bad Blues“ (2018) und „Perfectamundo“ (2015) dominierten noch die Coversongs, „Hardware“ jedoch besteht bis auf eine Ausnahme – „Hey Baby, Que Paso“ ist im Original von den Texas Tornados – aus eigenem Material. Drei Monate blieben die Männer im Nationalpark und schossen lässige Bluesrocknummern aus den Hüften. Songs wie „She’s On Fire“ oder „Stackin‘ Bones“, auf dem das Schwesternduo Larkin Poe mitmacht, grooven rasant vor sich hin, auch Hardrock, Country und New Wave haben sie nahtlos in die neue Platte eingebaut, auf „West Coast Junkie“ wiederum hat Billy F Gibbons den Surf-Rock-Dude in sich selbst an die Oberfläche geholt. „Was wir aufgenommen haben, ist immer noch Rockmusik, aber es ist eindeutig nicht identisch mit ZZ Top.“ Wobei man sagen muss: Es ist eindeutig auch nicht sehr weit weg von ZZ Top.

Billy F Gibbons: „Rockmusik war und ist noch immer mein Ventil“

Billy F Gibbons macht auch auf „Hardware“ keinen Hehl aus seiner musikalischen Sozialisation. Mit 17 lernte der Texaner Jimi Hendrix kennen, durfte mit seiner damaligen Band Moving Sidewalks in Hendrix‘ Vorprogramm auftreten, man schätzte und bewunderte sich gegenseitig. „Manches Mal saß ich mit Jimi im Hotelzimmer, er hatte immer seinen Plattenspieler dabei, und wir hörten zusammen Musik. Jimi war immer darauf aus, neue Techniken an der Gitarre zu lernen, er war da wirklich extrem experimentierfreudig und konnte nicht genug bekommen.“

Billys Vater war zu der Zeit Dirigent des klassischen Orchesters in Houston, die Rock’n’Roll-Ambitionen des Sprösslings unterstützte er gleichwohl. „Meine Eltern sahen, wie gut mir die Rockmusik tut. Sie war und ist noch immer mein Ventil. Bis heute ist es für mich, aber auch für Frank Beard, den Mann ohne Bart, und für Dusty Hill ein Privileg, Rock’n’Roll spielen zu dürfen.“

„Wir haben uns den Bart wachsen lassen, weil wir keine Lust hatten, uns zu rasieren“

2012 erschien das fünfzehnte und bisher letzte ZZ Top-Album „La Futura“. Die gute Nachricht ist: Die Jungs arbeiten an einem neuen. Viel könne er noch nicht sagen, aber Hill und Beard seien, während er selbst mit „Hardware“ befasst gewesen sei, auch nicht vollständig faul gewesen. Ein Ende von ZZ Top sei nicht absehbar. „Wir sind fitte alte Knochen.“

Auch der Bart sei nach wie vor in Bestform. Dass die Gesichtsbehaarung von Billy Gibbons und Dusty Hill seit etlichen Jahren Mainstream geworden ist, quittiert er beiläufig: „Moden kommen und gehen“, sagt Billy lakonisch. „Wir haben uns den Bart nicht wachsen lassen, weil es Mode war, sondern weil wir keine Lust hatten, uns zu rasieren.“