Chanhassen. Vor fünf Jahren starb Prince. Ein Museum in seiner Heimatstadt hält die Erinnerung an das Pop-Idol lebendig. Ein Besuch in Chanhassen, Minnesota.

In dem Lied, das dem von außen wie ein Auslieferungs-Lager für Kühlschränke und Waschmaschinen anmutenden Gebäude-Trumm seinen mustergültigen Namen gab, heißt es, der Eintritt sei easy. Das war vielleicht vor 30 Jahren so. Damals, als Prince Rogers Nelson nach getaner Arbeit auf der Bühne noch zu aufgepeitscht war, um ins Bett zu gehen. Stattdessen e-mailte er sich nachts um drei Hunderte Fans in den „Paisley Park” herbei. Auf dass der neue Tag mit einer After-Show-Party beginnen konnte. Kostenlos.

Heute ist des Künstlers Shangri-La in einem Gewerbegebiet in Chanhassen bei Minneapolis eine Mischung aus preispflichtigem Museum und Mausoleum, in das am Mittwoch (21. April) 1400 glückselige Ticket-Inhaber strömen werden, um zum fünften Todestag zu Klängen von „Little Red Corvette” bis „Sometimes it Snows in April” nicht nur vor der Urne mit der Asche des kleinsten Allround-Genies (1,57 Meter) der Populär-Musik eine Träne zu verdrücken.

„Paisley Park” ist zur Pilgerstätte für Prince-Fans geworden

Seit Prince hier am 21. April 2016 im Alter von 57 Jahren nach einer offenbar unabsichtlichen Überdosis Fentanyl tot in einem Aufzug gefunden wurde, ist „Paisley Park” Pilgerstätte geworden. Täglich schieben sich Grüppchen aus aller Welt über die Landstraße 5 in den fast fensterlosen Komplex, der für Prince Ideen-Inkubator, Aufnahmestudio, Konzertsaal, Bar, Kantine, Wohn- und Zufluchtsort zugleich war. Für 45 bis 160 $ pro Person gewähren die Nachlassverwalter, Prince hinterließ weder Witwen noch Kinder, sorgfältig abgezirkelte Einblicke in das 6500 Quadratmeter große, Mitte der 80er-Jahre für zehn Millionen Dollar auf die grüne Wiese gepflanzte Refugium; kuratiert und konzipiert von den Experten, die schon Elvis Presleys „Graceland”-Anwesen in Memphis zu einer Goldgrube geformt haben.

Jeff und Percy, ein Paar aus Denver/Colorado, ist schon zum dritten Mal hier. „Wenn die graue Welt da draußen dich im Stich lässt, fliehen wir in die purpurne von Prince”, sagt die 59-Jährige an einem Sonntag im März, „das ist wie eine Kur für die Seele.” Die „heilende Wirkung” setze bereits im Atrium ein. Wer in dem lichtdurchfluteten Raum steht, sieht auf der Balustrade eine große, leere Voliere. Einst flogen dort die Tauben umher, die Prince in „When Doves Cry” besang. Direkt darunter ein Zwitter aus Küche, Diner und Fernseh-Raum.

Fast könnte man meinen, Prince biege jeden Moment um die Ecke

Alles ist so arrangiert, als ob der elfenhaft gewesene Hausherr jeden Moment auf seinen Sechs-Zentimeter-Absätzen mit einem seiner berühmten Falsetto-Schreie und Sheila E. im Schlepptau durch die Tür stratzen könnte. Prince, erklärt Tour-Führerin Pat hinter ihrer Coronaschutz-Maske, „hat sich hier zwischen den Aufnahmen sehr gerne aufgehalten, eine Kleinigkeit gegessen oder seinem Lieblings-Basketball-Klub, den Minnesota Timbervoles, zugeschaut.” Die Tischtennis-Platte, an der er einst Michael Jackson den Zelluloid-Ball aus Versehen in den Schritt gedonnert hat, ist auch nicht weit.

Weiter geht’s durch bunt gestrichene Wandelgänge, die mit Gold- und Platin-Platten übersät sind für die Hits des nimmermüden Arbeiters, der zwischen 1978 und 2016 rund 40 Studio-Alben ausstieß, in die Maschinenräume von Paisley Park. Studio A und B, vollgepackt mit erlesener Technik, biederes Stäbchen-Parkett am Boden, bildeten den Lebensmittelpunkt des Sohnes eines Pianisten und einer Jazz-Sängerin. Hinter der großen Scheibe erkennt man den leicht abgewetzten Sessel, in dem Prince stundenlang saß, um die meist eigenhändig eingespielten Instrumente (er beherrschte an die 30) seiner enorm tanzbaren Melange aus Rock, Blues, Funk und Pool abzuschmecken.

Eigene Diskothek mit Platz für 200 Leute

Wie ganzheitlich Prince den Ort konzipierte, zeigt nebenan eine großzügige geschnittene Diskothek, in der heute Glitzer-Klamotten, Gitarren und andere Reliquien aufbewahrt werden. Ein intim-schummriger Klub mit viel Plüsch für 200 Leute, der auch als Kino taugt, fehlt ebenso wenig wie eine Kölner-E-Werk-große Konzerthalle mit bombastischer Akustik, in der Prince seine Studio-Frickeleien vor Live-Publikum austestete.

Als Tour-Guide Pat zum ersten Mal das Okay zum Fotografieren gibt, erscheint auf der Leinwand der in die Geschichtsbücher eingegangene Auftritt im strömenden Regen 2007 in der NFL-Superbowl-Halbzeitpause: „Purple Rain”. Dezente Enttäuschung macht sich breit, als klar wird, was alles nicht zu besichtigen ist: die Tiefgarage, wo das Video zum legendären „Sexy Motherfucker” gedreht wurde. Der „Raum des Wissens”, in dem der zu den Zeugen Jehovas übergetretene Prince, die Bibel studiert haben soll. Die Privaträume sowieso. Auch „The Vault” bleibt dicht.

Temperaturgeschützter Tresor-Raum mit etlichen un- und halbfertigen Prince-Songs

Gerade hier hatten Jeff und Percy erhofft, wenigstens einen kurzen Blick zu erhaschen. In dem temperaturgeschützten Tresor-Raum lagerten bis vor Kurzem mehrere tausend un- oder halbfertige Prince-Songs. Troy Carter, Ex-Manager von Lady Gaga, hat die Aufgabe, die ungeschliffenen Preziosen in Los Angeles zu archivieren und auf posthume Verwertbarkeit hin zu taxieren.

Was sich gut trifft. Die staatliche Finanzbehörde IRS hat festgestellt, dass „Paisley Park” mit 160 Millionen $ etwa doppelt so viel wert ist wie einst angegeben. Uncle Sam verlangt nachträglich Steuerzahlungen in erheblicher Höhe. Neue Einnahmen könnten bereits im Sommer fließen. Ende Juli erscheint mit „Welcome 2 America” zum ersten Mal seit Prince’ Ableben ein bislang unveröffentlichtes Album. Die zwölf Songs hatte Prince, dem oft seherische Fähigkeiten nachgesagt wurden, vor über zehn Jahren aufgenommen. Es geht um die Tücken des Internets. Apple und Google bekommen ihr Fett weg. Rassismus, soziale Benachteiligung, Polizeigewalt spielen in Liedern wie „Born 2 Die” und „One Day We Will All B Free” zentrale Rollen. Zeitgemäßer geht’s kaum.

„Prince ist einer dieser Künstler, die auch nach dem Tod weiterleben”

Jeff und Percy sitzen nach der Tour mit roten Wangen in ihrem Van auf dem Parkplatz von „Paisley Park” und hören sich durch unkaputtbare Kracher von „If I Were Your Girlfriend” über „Alphabet Street” bis „I Could Never Take The Place Of Your Man”. Dass Prince so viel Musik aufgenommen hat, auf die man sich noch freuen dürfe, sei „wie eine Lebensversicherung“, sagen die Eheleute. „Prince ist einer dieser raren Künstler, die auch nach ihrem Tod immer weiterleben.”