Essen. Man muss offen sein für den Stil der Musik von Norah Jones. Ihre Stimme ist aber selbst bei verqueren Songs eine Wucht - wie ihr Live-Album zeigt.
Die Musik von Norah Jones ist ja keineswegs immer so samtweich kuschelig, wie es ihre ganz großen Erfolge „Don’t Know Why“ und „Sunrise“ nahelegen.
Die US-amerikanische Sängerin und Pianistin setzt meistens eher fintenreiches, vertracktes, harmonisch oft auch ziemlich rigoros konstruiertes Material in die Welt. Keine Hitmaschine also. Eher die Abteilung Kopfmusik. Und oft genug ziemlich düster gestimmt. Nicht umsonst bringen viele die 42-Jährige eher in der Jazz-Schublade unter und nicht unter Verkehrsfunkuntermalung.
Auch schon seit 20 Jahren im internationalen Rampenlicht
Wem es bislang versagt blieb, die mehrfache Grammy-Gewinnerin livehaftig bei der Arbeit zu erleben, darf sich auf das seit Freitag erhältliche Album freuen, das einige Kostproben ihrer nun auch schon 20 Jahre währenden Bühnenpräsenz im internationalen Rampenlicht bereithält.

„’Til We Meet Again“ (Blue Note / Universal Music) besteht aus 14 Aufnahmen von Konzertreihen aus den Jahren 2017 bis 2019. Die Schauplätze sind USA, Frankreich, Italien, Brasilien und Argentinien. Wir erleben also eine schon gereifte Norah Jones, die aber hörbar immer noch Spaß daran hat, ihre Fans mit ihrem Charme um den Finger zu wickeln.
Musikalisch bewegt sich das zumeist im klassischen Jazztrioformat. Jones an den Tasten wird also begleitet von stets songdienlich spielenden Koryphäen wie Brian Blade (Schlagzeug) und Jesse Murphy (Bass). Manchmal gesellt sich die Orgel von Pete Remm dazu.
Und im Mittelpunkt steht natürlich Jones’ immer noch wunderbare Stimme: geschmeidig, angenehm timbriert, zudem mit einem klasse Timing gesegnet. Die Zauberkraft dieser Kehle ist ungebrochen. Man muss halt offen sein für verquere Songs, da ist die Jones (leider) gnadenlos. Aber natürlich schenkt sie den Fans auch ihre Hits, aber das in völlig anderer Atmosphäre. „Don’t Know Why“ beispielsweise kommt deutlich grooviger daher als die Studioversion. Trotzdem schick.
Eine Verbeugung vor Chris Cornell
Das Highlight bewahrt Jones sich für den Album-Rausschmeißer auf: eine sehr persönliche, bewegende Verbeugung vor Chris Cornell. Nur wenige Tage nach dem Tod des Sängers spielte sie atemberaubend spannungsvoll und ganz alleine bei ihrem Gastspiel in Detroit die Soundgarden-Hymne „Black Hole Sun“ am Klavier. Ein Zeugnis inbrünstiger Musikalität. Schön, dass das jetzt auch als Tondokument zu haben ist.