Essen. Schriftsteller Walter Kaufmann starb mit 97 Jahren in Berlin. Aufgewachsen in Duisburg, floh er 1939 im Alter von 15 Jahren vor den Nazis.

Von Duisburg über England nach Australien und zurück nach Deutschland, zunächst in dessen Osten: Schon geografisch ist das Leben Walter Kaufmanns ein ruheloses gewesen. Dass der Schriftsteller nun im Alter von 97 Jahren gestorben ist, diese Nachricht verbreiteten gestern zwei Berliner Regisseure: Karin Kaper und Dirk Szuszies haben einen Kino-Dokumentarfilm über das Leben von Kaufmann gedreht; ihr Werk „Walter Kaufmann – Welch ein Leben!“ soll im Herbst in die Kinos kommen.

Ja, welch ein Leben, das Zeugenschaft für beinahe ein Jahrhundert übernimmt. Kaufmann war 1924 als Sohn einer jungen polnischen Jüdin in Berlin zur Welt gekommen. Drei Jahre später adoptierte ihn ein wohlhabendes Duisburger Ehepaar: Johanna und Dr. Sally Kaufmann – letzterer Rechtsanwalt und Vorstand der Jüdischen Gemeinde. Kaufmanns Adoptiveltern wurden 1938 verhaftet und in Auschwitz ermordet. Walter Kaufmann, gerade einmal 15 Jahre alt, gelangte 1939 mit einem Kindertransport aus dem Deutschen Reich über die Niederlande nach Großbritannien.

Das Roman-Debüt „Stimmen im Sturm“ erzählte von Duisburger Kindheitserinnerungen

Dort wurde er interniert und nach Australien gebracht, wo er noch fast zwei Jahre in einem Lager verbringen musste. Danach verdingte er sich in Australien unter anderem als Obstpflücker und Seemann. Seine ersten noch in Australien entstandenen Geschichten waren an US-amerikanische Short-Stories angelehnt. Sein Roman-Debüt „Stimmen im Sturm“, eine Aufarbeitung auch der Duisburger Kindheitserinnerungen und des Nazi-Schreckens, lag zuerst in englischer Sprache vor.

Als er Mitte der 50er-Jahre nach Europa zurückkehrte, entschied er sich für die DDR in der Hoffnung auf ein „besseres Deutschland“. Er war mit der Schauspielerin Angela Brunner verheiratet, die Schauspielerin Deborah Kaufmann ist ihre gemeinsame Tochter. Von 1985 bis 1993 war Kaufmann Generalsekretär des ostdeutschen PEN-Zentrums. Für seine zahlreichen Romane, Erzählungen und Reportagen wurde Kaufmann vielfach geehrt, etwa 1993 mit dem Literaturpreis Ruhr.